Mittwoch, 26. November 2014

Drei Farben







Einer nach dem anderen

Das strahlende Weiß des erbarmungslosen, norwegischen Winters, das tiefe Schwarz des garstigen Humors und das kräftige Rot des vergossenen Blutes, dass nach und nach den Bildschirm bedeckt – auf diese drei in Farben manifestierten Grundpfeiler lässt sich ein, wer Einer nach dem anderen im Kino schaut. Allen, die mit ausufernder Brutalität und dem Fehlen jeglicher Moral ein Problem haben, sei vom Kinobesuch abgeraten, doch denen wird eine famose Gangster-Groteske entgehen. Mit Stellan Skarsgaard sehen wir Schwedens Hollywoodexport Nummer 1 in der Hauptrolle als schweigsamen Räumpflugfahrer Nils Dickman, der sich aufmacht, seinen Drogen schmuggelnden Sohn zu rächen. Dabei zieht er die Aufmerksamkeit konkurrierender Banden auf sich. Neben den norwegischen und serbischen Dealern sind außerdem noch zwei überforderte Streifenpolizisten, ein schwules Gangsterpärchen, Nils ehemals krimineller Bruder und ein dänischer Killer mit japanischen Wurzeln, genannt „Der Chinese“, mit an Bord. Diesem irrwitzigen Figurenensemble, aus dem Pal Sverre Valheim Hagen als „der Graf“ besonders herausragt, stellt Regisseur Hans Petter Moland die endlosen, schneebedeckten Landschaften Nordnorwegens entgegen. Ein schöner Kontrast, der die Einsamkeit des Protagonisten unterstreicht und dem bunten Treiben der Charaktere viel Melancholie verleiht. Des Weiteren weiß Einer nach dem anderen mit tollen, optischen Ideen aufzuwarten. Besonders hervorzuheben sind dabei die Zwischentitel, die nach dem Tot einer Figur zu sehen sind und die Arbeit der Setdesigner, die alle handelnde Personen in einer einzigartigen Umgebung zeigen. Stellvertretend dafür sei an dieser Stelle auf das Haus des Grafen mit seiner hypermodernen Einrichtung und die Wohngarage des serbischen Gangsterbosses „Papa“ hingewiesen. Letzterer wird übrigens von Bruno Ganz gespielt. Es ist diese verrückte Mischung aus Brutalität, Humor und tollen Dialogen in einer unwirklichen Umgebung, die Einer nach dem anderen so besonders macht.

9/10


Für Fans von: Fargo, Helden des Polarkreises, Bube, Dame, König, Gras

Mittwoch, 19. November 2014

EIn Mann für gewisse Stunden



Plötzlich Gigolo

John Turturros Komödie über zwei Männer, die eine Begleitservice-Partnerschaft begründen, um reiche Damen zu beglücken und selbst ihrem öden Alltag zu entfliehen. Turturro weiß dazu in Personaleinheit als Regisseur und Hauptdarsteller einen stattlichen Cast um sich zu sammeln. An seiner Seite spielen Sharon Stone, Sofia Vergara, die umwerfende Vanessa Paradis in ihrer ersten englischsprachigen Rolle, ein kaum wiederzuerkennender Liev Schreiber und Altmeister Woody Allen. Besonders letzterer durfte mit seinen Regiearbeiten für Plötzlich Gigolo Pate stehen. Dafür sorgen vor allem die liebenswert-verschrobenen Charaktere und die Ansiedlung der Geschichte in der jüdischen Gemeinde Brooklyns. Dieser Aspekt der Geschichte macht einen Großteil des Reizes von Plötzlich Gigolo aus. Besonnen und mit feinem Humor wird auf das Leben orthodoxer Juden in der modernen Zeit eingegangen. Dazu tragen vor allem die Leistungen von Vanessa Paradis und Liev Schreiber bei, die zusammen mit John Turturros Hauptfigur Fioravante die Dreiecksbeziehung bilden, die die Geschichte voranbringt. Dazu weiß Woody Allen als dauerquasselnder und sehr pragmatischer Möchtegernzuhäter zu gefallen, der sich passenderweise den Namen Mr. Bongo gibt. Trotz seiner knappen Laufzeit von nicht ganz 90 Minuten schleichen sich manche Längen in Plötzlich Gigolo, die dem Drehbuch geschuldet sind. Regisseur Turturro verzichtet komplett auf eine Exposition, oder detaillierte Einführungen der Figuren und wirft den Zuschauer direkt in die etwas dünne Handlung. Dazu wird aus den äußerst witzigen Rollen, der Nebendarsteller Sharon Stone und Sofia Vergara zu wenig gemacht, obwohl sie der Ausgangspunkt des Gigolo-Geschäfts sind. Bis Vanessa Paradis das Spielfeld betritt, dümpelt der Streifen recht uninspiriert vor sich hin. So bleibt Plötzlich Gigolo ein leichtes Feel-Good-Movie mit Topstars, die mit Freude bei der Sache sind und einem schönen Latin- und Smooth-Jazz-Soundtrack.

7/10

Für Fans von: A serious man, To Rome with love

Sonntag, 16. November 2014

Vom Suchen und Finden des vierten Sterns


Die Mannschaft

Nach dem enormen Erfolg von Sönke Wortmanns Deutschland ein Sommermärchen, in dem er die deutsche Fußballnationalmannschaft während der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Lande dokumentarisch begleitete, wurde es nun dem Team um Chefkameramann Uli Voigt erlaubt, unsere Elf in den acht Wochen rund um das diesjährige Turnier in Brasilien zu begleiten. Um es gleich vorwegzunehmen: in keiner Phase des Films schafft es Die Mannschaft die Qualität von Deutschland ein Sommermärchen zu erreichen. Viele Faktoren sind dafür ausschlaggebend. Der auffälligste ist dabei das konsequente Verharren in einer Wohlfühlzone für Fußballer, Team und die Filmemacher selbst. Das stetige Wiederholen des großartigen Spirits in der Nationalmannschaft, die dauerhafte Professionalität, der fast schon pflichtschuldige Verweis auf die tolle Atmosphäre in der brasilianischen Bevölkerung – all dies wirkt sehr folkloristisch und gezwungen. In keinster Weise kommen beispielsweise die Proteste der einheimischen WM-Gegner zu Wort, die zum Zeitpunkt der Anreise des deutschen Teams noch nicht von der ausgelassenen Stimmung der Fußballanhänger überlagert wurde. Zu diesem und anderen Themen ein Statement der Kicker zu hören, wäre wünschenswert gewesen. Auch filmisch lässt sich das Kamerateam wenig Kinoreifes einfallen. Vor allem die zahlreichen Füllszenen aus Landschaftsschwenks, extremen Zeitlupen und Close-ups wirken enorm deplatziert. Dazu wird der komplette WM-Sommer lediglich kontinuierlich abgearbeitet. Vom ersten Tag im Südtiroler Trainingslager bis zur großen Weltmeisterparty am Brandenburger Tor werden alle Wegmarken schnell abgearbeitet. Somit entsteht nur aus den bekannten Ereignissen eine Spannungskurve, aus den filmischen Elementen jedoch nicht. Positives gibt es an Die Mannschaft allerdings auch. So sind Fußballspiele, besonders sehr farbenfroh eingefangen, sowie hier, eine echte Offenbarung auf der riesigen Kinoleinwand. Äußerst passend für das größte Sportereignis der Welt. Des weiteren ist dieser Film auf Zelluloid gebannte Euphorie und Zeitgeschichte. Jeder, der sich hierzulande vom WM-Fieber anstecken ließ, wird an Die Mannschaft seine Freude haben. Ein Tipp noch zum Schluss: Die ARD zeigt Die Mannschaft bereits am 2.1.15 im Free-TV. Euch sei damit ausnahmsweise vom Kinobesuch abgeraten.

5/10

Für Fans von: Deutschland. Ein Sommermärchen

Durch die Nacht mit Lou Bloom







Nightcrawler

Überragende Mediensatire mit Jake Gyllenhaal als rastlosem Jäger Lou Bloom, der mit seiner Kamera die blutgetränkten Nächte Los Angeles durchstreift, um seine Aufnahmen meistbietend an quotengeile Nachrichtensender zu verkaufen. Von der ersten Szene an begeistert und verstört Nightcrawler gleichermaßen. Der Zuschauer wird mit Bildern konfrontiert, die, ähnlich denen die Lou Bloom und die von Rene Russo verkörperte Sendechefin Nina für das Frühstücksfernsehen aufarbeiten, einen Sog entwickeln, der ihn nicht mehr loslässt. Der Metropole Los Angeles kommt dabei eine gewichtige Bedeutung zu. Wie ein eigener Organismus lässt er Unfälle, Brände und Gewaltverbrechen auf seine Bewohner herabregnen, die von der dankbaren Medienmeute gierig aufgenommen werden. Passend dazu gestaltet Kameramann und Oscargewinner (2008 für There will be blood) Robert Elswit die Nächte in LA rastlos, fiebrig und in grellen Neonfarben. Neben der technischen Brillianz profitiert Nightcrawler auch besonders von seinem konsequenten Spannungsaufbau. Auch wenn keine Identifikation mit der Hauptfigur möglich ist oder gewollt wäre, kommt man als Kinobesucher nicht umher, dem geschickt konstruierten Drehbuch zu verfallen. Bis zum mitreißenden Finale nimmt die vereinnahmende Wirkung des Films stetig und unbarmherzig zu. Den größten Anteil daran hat jedoch Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal, der in einem Jahr, das reich an famosen schauspielerischen Leistungen ist, noch einmal aus der großartigen Masse herausragt. Es ist eine perfide Freude ihn bei seinen durchtriebenen Handlungen zu beobachten. Der Prisoners-Star spielt seinen Lou Bloom dabei mit weit aufgerissenen Augen und fahlen Gesichtszügen, nach und nach scheint er von den Nächten auf der Jagd vernichtet zu werden. Statt eine Abkehr von seinem heiklen Business zu forcieren, steigert sich der Nightcrawler immer mehr in die Verbrechenssuche rein und überschreitet zunehmend gesetzliche und moralische Grenzen. Dabei wirft er unablässig mit Phrasen aus einem BWL-Handbuch um sich und manipuliert somit stetig seine komplette Umwelt. So entwirft Nightcrawler schlussendlich ein garstiges und bedrückendes Bild des urbanen Lebens im heutigen Amerika.

10/10


Für Fans von: Taxi Driver, Network

Montag, 10. November 2014

Die Sonne ..... ist Gott!


Mr. Turner – Meister des Lichts

Imposantes Künstlerportrait über den Wegbereiter des Impressionismus und britischen Übermaler William Turner. Mike Leighs Herangehensweise an Mr. Turner ist keinesfalls die eines herkömmlichen Biopics. Vielmehr lässt er uns durch filmische Mosaike einen tiefen Einblick in William Turners Innenleben und seine bahnbrechende Kunst gewähren. Dazu tragen in besonderem Maße Kameraarbeit und Bildkomposition bei. Das viktorianische Englan d wird hier in Landschaftpanoramen von betörender Schönheit eingefangen. Nie ist man sich bewusst, ob das gezeigte Bild der Kamera oder dem Genius des porträtierten Malers entstammt. Mehr als einmal wird der Zuschauer diesbezüglich auch auf eine falsche Fährte gelockt. Lange Steadycamfahrten, eine detailverliebte Ausstattung und monumentale Kostüme unterstreichen den künstlerischen Aspekt des Filmes. In seiner gesamten Ästhetik ist Mr. Turner wundervoll. Dazu bietet Timothy Spall in der Hauptrolle eine der bewegendsten Performances des bisherigen Kinojahres. Ich hoffe inständig, dass der britische Charakterkopf bei der kommenden Oscarverleihung gewichtige Fürsprecher in der Academy findet, schließlich wurde ihm auch schon die goldene Palme in Cannes für die beste Schauspielerleistung verliehen. Sein William Turner ist kein durchweg begnadeter Künstler. Vielmehr ein von privaten Rückschlägen, brodelndem Verlangen und manischem Ehrgeiz angetriebener Sturkopf. Seine kompromisslose Malerei machte ihn jedoch erst zu dem Wegbereiter, als der er heute gefeiert wird. Um meine Lobgesänge etwas abzufedern, gilt anzumerken, dass es Mr. Turner dem Kinogänger teilweise schwer macht, der Geschichte und den Charakteren zu folgen. Dazu sind einige der 150 Minuten Laufzeit doch zu sperrig. Auch wenn Spall es schafft, mit seinem grandiosen Schauspiel die Begeisterung für William Turner über die gesamten zweieinhalb Stunden aufrecht zu erhalten, so dürften doch nur eingefleischte Kunstliebhaber dem spannungsarmen Drehbuch uneingeschränkt applaudieren.

8/10


Für Fans von: Barry Lyndon

Sonntag, 9. November 2014

Ein Kampf gegen Windmühlen







Im Labyrinth des Schweigens

Der deutsch-italienische TV- und Kurzfilmregisseur Giulio Ricciarelli gibt sein Kinodebüt mit einem Film über einen sehr wenig beachteten Aspekt der (West)deutschen Geschichte. Im Labyrinth des Schweigens zeigt am Beispiel des Anwalts Johann Radmann den Versuch einer wirklichen Entnazifizierung im Frankfurt der späten 50er Jahre. Mit dem Wissen um die Bürde der Geschichte ist es für ein jüngeres Publikum fast nicht zu glauben, mit welcher Vehemenz die Erinnerungen an den Holocaust damals zu ersticken versucht wurden. Aus dieser Grundprämisse zieht Im Labyrinth des Schweigens auch seine große Spannung. Die Sisyphusarbeit des jungen Anwalts und seiner Helfer wird überzeugend dargestellt. Dazu trägt auch das anschauliche Produktionsdesign bei, welches die Zeit vor über 50 Jahren glaubhaft abbildet. Dem langen Kampf gegen, mehr oder minder verheimlichtes, vergessen wollen, bildet allerdings auch die größte Schwäche des Films. Da sich Ricciarelli sehr auf den großen Zusammenhang konzentriert (der Film endet mit den Auschwitz-Prozessen von 1963), fehlt dem Zuschauer ein roter Faden, der die Handlung unweigerlich vorantreibt. Stattdessen sehen wir vielen Höhen und Tiefen der Ermittlungsarbeit, einen klaren Antagonisten jedoch nicht. Diese Gestaltlosigkeit wird allerdings nicht zu Gunsten einer mystischen Atmosphäre genutzt, vielmehr wird der geneigte Kinogänger wieder und wieder mit neuen Zeugen, Verdächtigten und KZ-Überlebenden konfrontiert. Die Arbeit von Johann Radmann und dessen Teams wir nach diesem Muster auch stets mittels Parallelmontagen inszeniert, die spätestens beim dritten Mal ermüden. Nichtsdestotrotz spricht Im Labyrinth des Schweigens mit viel Zeitkolorit ein Kapitel der Nachkriegszeit an, das mehr Aufmerksamkeit verdient hätte und ist nicht nur für Geschichtsfans interessant.

7/10

Für Fans von: JFK – Tatort Dallas, Das Urteil von Nürnberg

Samstag, 8. November 2014

Der größte Schritt der Menschheit






Interstellar

Der wohl meisterwarteste Film des Jahres von The Dark Knight-Mastermind Christopher Nolan. Interstellar ist eine beeindruckende Weltraumoper mit unfassbaren Schauwerten. In fast drei Stunden Laufzeit gibt es Unglaubliches zu entdecken. Auf der Suche nach einer neuen Heimat für unsere darbende Rasse Mensch sehen wir Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, und Jessica Chastain die Grenzen des Vorstellbaren sprengen. Mit der zugrunde liegenden Relativitätstheorie arbeitet sich Nolan an Wurmlöchern, Gravitationsverschiebungen, neuen Dimensionen und Zeitreisen ab, ohne Zuschauer mit fehlendem physikalischen Expertenwissen zu vernachlässigen. Denn als Ausgangspunkt und Anker fungiert während des ganzen Films die Beziehung von Hauptfigur Cooper und dessen Tochter Murphy. Diese, mit Hingabe gespielte Verbindung gibt Interstellar eine emotionale Tiefe, wie sie in einem Nolan-Film noch nicht zu sehen war. Ein besonderes Lob gilt desweiteren Hans Zimmer. Sein sakraler, allgegenwärtiger Score unterstreicht, besonders in allen Weltraumsequenzen, die greifbare Spannung und hinterlässt ein atemloses und mitfieberndes Publikum von Minute 1 bis 169. Keine Sekunde ist bedingt durch die große Geschichte, die wir zu sehen bekommen, verschenkt. Und dennoch muss ich diesem Meisterwerk die perfekte Bewertung entziehen. Vor allem in der ersten Filmstunde scheint jeder Dialog die reine Wahrheit verinnerlicht zu haben, jeder gesprochene Satz mit einem Ausrufezeichen und einer Denkpause zu enden. Hier schießt Nolan ein wenig übers Ziel hinaus. Im zweiten und dritten Akt wird dies jedoch von der Handlung, die viele menschliche Grundbedürfnisse thematisiert, aufgefangen. Außerdem opfert Interstellar in seinen letzten zehn Minuten noch den einen oder anderen emotionalem Punch, der in den Stunden zuvor aufgebaut worden war. Nichts was den Film abstürzen lässt, jedoch hätte man die Schlusssequenz etwas konsequenter gestalten können. Was bleibt ist ein faszinierender Science-Fiction-Film für den Kino gemacht wurde.

9/10


Für Fans von: 2001 – Odysse im Weltraum, Sunshine, Gravity

Donnerstag, 6. November 2014

Jeder hat sein Kreuz zu tragen


Am Sonntag bist du tot

Vielschichtiges Drama mit einem überragenden Brendan Gleeson als Pfarrer in einer irischen Kleinstadt, dem seine letzten Lebenstage prophezeiht werden und der sich daraufhin mit seiner Gemeinde, seiner Familie und dem Klerus auseinandersetzt. Gleeson, der mit Regisseur John Michael McDonagh schon im großartigen The Guard zusammenarbeitete, ist dabei der das erzählerische und emotionale Zentrum des Films. Die Wandlung die sein Charakter trotz großer Erfahrung und eines festen Glaubens durchmacht, setzt der irische Charaktermime fantastisch um. Unterstützt wird er dabei von memorablen Nebendarstellern, die allesamt ein zusehend engeres Band um unseren Hauptdarsteller ziehen, was Am Sonntag bist du tot (im Original sinniger Weise Calvary, nach der englischen Bezeichnung des Berges Golgatha) eine eigenwillige Spannung verleiht. Dazu tauchen die ruhigen, ausschweifenden Kamerafahrten und eine stimmmige Mischung aus Score und Soundtrack den Streifen in ein fast melancholisches Licht. Lediglich den Zuschauer dauerhaft zu binden, gelingt Am Sonntag bist du tot nicht durchgehend. Da hätte eine Straffung des Drehbuchs hier und dort gut getan. Nichtsdestotrotz ist es für alle Fans kleiner, persönlicher Filme mehr als empfehlenswert, sich an famosen Dialogen und tiefgreifenden Wahrheiten zu erfreuen. Denn Am Sonntag bist du tot bietet dies mit viel schwarzem Humor und ohne auf peinliche oder platte Kirchenkritik zurückzufallen dar. Ein ehrlicher, warmer, menschlicher Film.

8/10

Für Fans von: Brügge sehen und sterben, The Guard

Dienstag, 4. November 2014

Die stille Reise

The Cut

Abschluss der Liebe, Tod und Teufel-Trilogie des Hamburger Ausnahmeregisseurs Fatih Akin über den Genozid der Türken an den Armeniern im ersten Weltkrieg und dessen Folgen. Am Beispiel des Schmieds Nazaret, der sein misslungenes Töten mit dem Verlust der Stimme bezahlt, zeigt The Cut unmenschliches Elend und die hoffnungsvolle Suche nach hinterbliebenen Familienangehörigen. Fatih Akin schlägt im seinem Mammutwerk dabei einen Bogen über ein ganzes Jahrzehnt und schickt Nazaret auf eine Odyssee um die ganze Welt um seine Zwillingstöchter zu finden. In der berührendsten Szene des Filmes sehen wir, wie das Kino in seiner Frühphase den Vertriebenen Halt gibt. Charlie Chaplins Der Vagabund und das Kind wird in Aleppo gezeigt, die Menschen schöpfen für eine kleine Zeit Hoffnung auf ein besseres Leben. Auch Nazarets Suche nach seinen Kindern hat viel mit der des Vagabunden zu tun. Die Zwillinge scheinen immer gerade den Ort verlassen zu haben, an dem er auftaucht. Diese Reise durch viele Länder und Städte nutzt Akin filmisch hervorragend. Den breiten Landschaftaufnahmen und toll eingefangenen Straßenszenen im Osmanischen Reich, Kuba und den Vereinigten Staaten lassen die Leidenschaft der Filmemacher für dieses Projekt und deren Dreharbeiten rund um den ganzern Globus auf der Leinwand spürbar werden. The Cut kommt allerdings nicht ohne einige Schwachstellen aus. So basiert Nazarets Reise ausschließlich auf zufälligen Begegnungen mit Menschen aus seiner alten Heimat, die er stetig wieder trifft. Das Publikum wird so zwar mit großen Emotionen an der Stange gehalten, sonderlich glaubhaft macht dies den Film jedoch nicht. Alle Nebenfiguren werden damit nur zu dem Zwecke eingeführt, Nazaret auf seiner späteren Suche weiterzuhelfen. Die vielen Schauplatzwechsel mit den selben Szenenabläufen wirken auf Dauer recht ermüdend. Dazu zu ist The Cut voll an Pathos. Besonders die erste halbe Stunde wirkt fast wie eine Parodie auf ein perfektes Familienleben. Erst mit dem Verlust der Stimme des Hauptdarstellers wechselt auch der Ton des Films. So sehen wir am Ende einen teils lakonischen Mix aus klassischem Epos, Familiendrama und Western.

7/10



Für Fans von: Der Vagabund und das Kind