Donnerstag, 26. Februar 2015

Im Fadenkreuz von Clint Eastwood







American Sniper

Bereits vor dem deutschen Kinostart war American Sniper Clint Eastwoods erfolgreichster Film. Für einen Mann, der in den 60er Jahren das Westerngenre (Dollar-Trilogie) und in den 70ern den Cop-Film (Dirty Harry) revolutionierte, ist dies schon mehr als bemerkenswert, zumal der 84jährige American Sniper als sein Herzensprojekt bezeichnete. Doch in Die Geschichte des Scharfschützen Chris Kyle (so der offizielle deutsche Nebentitel des Films) fehlt es nicht nur an Herz. Es sei den Betrachtungen vorangestellt, dass sich American Sniper in Gänze an ein US-Amerikanisches Publikum richtet. Die Berichterstattung in den Vereinigten Staaten war dementsprechend auch eine sehr emotional geführte, in den sich Gegner und Befürworter des Streifens wechselseitig Kriegstreiberei, beziehungsweise fehlenden Patriotismus vorwarfen. Den politischen Aspekt möchte ich daher ausklammern. Doch kein noch so guter Wille kann die eklatanten Schwächen in puncto Drehbuch, Dramaturgie und Figurenzeichnung begradigen, die uns Eastwood hier auftischt. American Sniper mangelt es an vorderster Front an einer spannenden Story. Chris Kyle wird in diesem Film für ganze vier Einsätze in den Irakkrieg geschickt, um sein blutiges Handwerk zu verüben. Alle diese Missionen werden chronologisch abgearbeitet, den Szenen im heimatlichen Texas entgegengestellt. Und doch verweigert uns American Sniper einen Spannungsbogen. Für die Darstellung der Unwägbarkeiten, die ein Soldat nach der Heimkehr zu erleiden hat, ist diese mehrfache Wiederholung besonders störend (man denke nur an den genialen Schlussakkord in The Hurt Locker, in dem in wenigen Momenten das emotional zerstörte Innenleben eines Veteranen offenbart wurde), für den Filmverlauf selbst natürlich vor allem ermüdend. Die stattlichen 132 Minuten gestalten sich dementsprechend zäh. Weiterhin stört die heldenhafte Überhöhung des Protagonisten. Da sich Eastwood Chris Kyles selbstgeschriebene Biografie als Drehbuchvorlage nahm, ist dies zwar nicht verwunderlich (reine Lügen und maßlose Übertreibungen sind bewiesen), doch nicht weniger ärgerlich. Dazu gibt es die unvermeidbaren Sequenzen über die unmenschliche Navy Seals-Ausbildung, die sprücheklopfenden Soldaten und Ehrgefühlsappelle zum fremdschämen. Positives gibt es von American Sniper jedoch auch zu vermelden. Technisch ist der Film über jeden Zweifel erhaben. Nicht nur der Oscar für den besten Tonschnitt spricht dafür. Einzelne Szenen sind in sich auch enorm spannend und intensiv, die Gefechte sind bedrückend inszeniert, das allgegenwärtige Sterben eindrucksvoll dargestellt. Dazu spielt Hauptdarsteller Bradley Cooper äußerst überzeugend. Seine Darstellung des Chris Kyle ist sehr zurückgenommen, fast minimalistisch, doch in den entscheidenden Momenten dennoch aussagekräftig und berührend. Insgesamt eine wirklich erwachsene Performance eines zwielichtigen Mannes in einem unterdurchschnittlichen Film.

4/10 


Für Fans von: Green Zone, Lone Survivor

Mittwoch, 25. Februar 2015

Oscarrückblick







Die Gewinner

Bester Film: Birdman
Beste Regie: Alejandro Gonzáles Iñáritu – Birdman
Bester Hauptdarsteller: Eddie Redmayne – Die Entdeckung der Unendlichkeit
Beste Hauptdarstellerin: Julianne Moore – Still Alice
Bester Nebendarsteller: J.K. Simmons – Whiplash
Beste Nebendarstellerin: Patricia Arquette - Boyhood
Bestes Originaldrehbuch: Birdman
Bestes adaptiertes Drehbuch: The Imitation Game
Beste Filmmusik: Alexandre Desplat – Grand Budapest Hotel
Bester Song: Glory - Selma
Beste Kamera: Emmanuel Lubezki – Birdman
Bester Schnitt: Whiplash
Bester fremdsprachiger Film: Ida – Polen
Bester Animationsfilm: Baymax – Riesiges Robowabohu
Bester Dokumentarfilm: Citizenfour
Bester animierter Kurzfilm: Liebe geht durch den Magen
Bester Kurzfilm: The Phone Call
Bester Dokumentar-Kurzfilm: Crisis Hotline: Veterans Press 1
Bester Ton: Whiplash
Bester Tonschnitt: American Sniper
Beste Kostüme: Grand Budapest Hotel
Bestes Szenenbild: Grand Budapest Hotel
Bestes Make-up: Grand Budapest Hotel
Beste Visuelle Effekte: Interstellar


Meine Einschätzung


Entgegen der Einschätzung vieler Internationaler Filmfans und Journalisten hielt ich die 87. Oscarverleihung im Globe Theater Los Angeles für äußerst gelungen. Den verstärkten Rufen nach einer Einkürzung der Show kann ich partout nicht folgen. Ich freue mich über jede Sekunde Freiraum, der die künstlich knapp gehaltenen Verkündungen der Gewinner und deren Dankesreden trennen, und somit Zeit zum Verarbeiten geben. Gerade in diesem Jahr war dieser Aspekt besonders wichtig, da die Ansprachen der Sieger so politisch ausfielen, wie ich es noch nie erlebte. Patricia Arquettes Aufruf zu mehr Gleichberechtigung für Frauen, Graham Moores (Drehbuchautor von The Imitation Game) tieftraurige und zugleich hoffnungsvolle Ode auf die eigene Verschrobenheit und natürlich John Legends beeindruckender Appell gegen die systematische Unterdrückung der Schwarzen in den USA verdienten ebenso wie J.K. Simmons Ermahnung, regelmäßig seine Eltern anzurufen, viel Freiraum. Eine Nettozeit von etwa 2:45 h ist für den entscheidendsten Tag der Filmbranche mehr als gerechtfertigt.

Neil Patrick Harris, der als Host durch den Abend führte, blieb mir vor allem durch seine energiegeladene Eröffnungsrevue im Kopf. In einer großen Musicalnummer sang und tanzte sich der How I met your mother-Star mit atemberaubender Trick- und Kameratechnik durch die Geschichte des Films. An seiner Seite begeisterten auch Anna Kendrick und Jack Black in diesem Reigen. Die Bissigkeit seines ersten Satzes am Abend ließ er im späteren Verlauf jedoch vermissen, sein Timing bei einigen Gags war unpassend und der finale Paukenschlag, rund um einen mysteriösen Koffer, ging total daneben.

Für Humor sorgten andere. Besonders John Travolta und Idina Menzel waren für einen humoristischen Höhepunkt verantwortlich, der den eklatanten Versprecher Travoltas aus der Oscarshow 2014 aufleben ließ. Weiterhin wussten Pawel Pawlikowski (Regisseur von Ida) und Eddie Redmayne in ihren Dankesreden die Sympathien der Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen.

Überraschend gut gelangen auch die musikalischen Einlagen. John Legends episches Glory, oder die knallbunte Kostümshow von Tegan and Sarah und The Lonely Island bei ihrer Aufführung von Everything is awesome aus The LEGO Movie sorgten für echte Höhepunkte. Übertroffen wurden beide allerdings von der ungewohnt subtil agierenden Lady Gaga, die im klassischen Abendkleid eine Hommage an das Kultmusical The Sound of Music zum Besten gab. Anlässlich des 50. Jahrestag der Veröffentlichung des Film stand sie schließlich auch mit dessen Hauptdarstellerin Julie Andrews gemeinsam auf der Bühne.

Im Gegensatz zu den Nominierungen blieben große Überraschung bei den Oscargewinnern aus. Die Preise in den Haupt- und allen Darstellerkategorien sind ohne Diskussion vollends berechtigt. Auch wenn sich viele eine Berücksichtigung von Boyhood für die beste Regie oder den besten Film gewünscht hätten, so ist Birdman in beiden Kategorien eine mindestens ebenso hervorragende Wahl. The Imitation Game den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch zu verleihen, mag etwas überraschend anmuten, die Konkurrenz war allerdings in diesem Jahr recht überschaubar. Die größte der kleinen Unerwartbarkeiten ist definitiv der verdiente Erfolg von Whiplash. Nicht nur ich freue mich über zwei Preise für die phänomenale technische Arbeit (der Oscar für J.K. Simmons galt ja fast schon als sicher) zu diesem großen kleinen Film. Vier Goldjungen in den audiovisuellen Kategorien wurden Grand Budapest Hotel zugesprochen. Auch wenn mit einigen Preisen zu rechnen war, so sind diese Auszeichnungen, die GBH gemeinsam mit Birdman zum erfolgreichsten Film des Abends machten, eine erste Würdigung des innovativen Schaffens von Wes Anderson. Nicht zufällig spielte er die Hauptrolle in allen Dankesreden der Filmschaffenden hinter Grand Budapest Hotel.

Persönlich freue ich mich über 13 richtige Gewinnertipps aus 20 Kategorien. Außerdem fiel mir die große Bandbreite an ausgezeichneten Filmen sehr positiv aus. 16 verschiedene Werke wurden mit mindestens einem Oscar bedacht. (zum Vergleich: im vergangen Jahr machen 11 Streifen die 24 Preise unter sich aus) Somit erkannte die Academy die große Vielfalt an außergewöhnlichen Filmen des vergangenen Jahres.

Sonntag, 22. Februar 2015

Oscartipps






Meine Prognose für die Verleihung der 87. Verleihung der Academy Awards. Inklsuive den Filmen, für die ich mir eine Auszeichnung wünsche und denen, die wohl die besten Chancen haben. Ich schließe Kurz- und Dokumentarfilme aus diesen Tipps aus.


Beste Visuelle Effekte

Nominiert:

Guardians of the Galaxy
Interstellar
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit
Planet der Affen: Revolution
The Return of the First Avenger

Eine große Anerkennung für die Kunst des Motion Capture wäre inzwischen mehr als angebracht. Dennoch denke ich nicht, dass Planet der Affen: Revolution gegen die monumentale Optik eines Interstellar gewinnen kann.



Sollte gewinnen: Planet der Affen: Revolution
Wird gewinnen: Interstellar



Bester Ton

Nominiert:

American Sniper
Birdman
Interstellar
Unbroken
Whiplash

Ich setze große Erwartungen in die Academy, auf das sie American Sniper und Unbroken keinen Oscar zukommen lassen wird. Den monumentalen Aspekt von Interstellar hatte ich ja zuvor schon zu bedenken gegeben.



Sollte gewinnen: Interstellar
Wird gewinnen: Interstellar



Bester Tonschnitt

Nominiert:

American Sniper
Birdman
Interstellar
Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere
Unbroken

Der Oscar für den besten Tonschnitt wird nicht zufällig gemeinsam mit dem Preis für den besten Ton verliehen – der Gewinner ist größtenteils der selbe. Auch wenn Whiplash als Musikfilm wenigstens eine Nominierung verdient hätte.



Sollte gewinnen: Interstellar
Wird gewinnen: Interstellar



Bester Filmsong

Nominiert:

Everything is Awesome – The LEGO Movie
Glory – Selma
Grateful – Beyond the Lights
I'm not gonna miss you – Glen Campbell: I'll be me
Lost Stars: Can a Song save your Life?

Das Aufeinandertreffen der potentiellen Trostpreisgewinner. Da The LEGO Movie und Selma gleichermaßen um weitere Nominierungen gebracht wurden, werden sie den Sieger unter sich aus machen. Für mich steht fest: der selbstironische 90's Trance-Verschnitt Everything is awesome sollte klar die Oberhand behalten, dürfte aber gegen John Legends Glory keine Chance haben. The LEGO Movie hat den Nerv der Academy schlicht gar nicht getroffen.



Sollte gewinnen: Everything is awesome – The LEGO Movie
Wird gewinnen: Glory – Selma



Beste Filmmusik

Nominiert:

Jóhann Jóhannsson – Die Entdeckung der Unendlichkeit
Alexandre Desplat – Grand Budapest Hotel
Alexandre Desplat – The Imitation Game
Hans Zimmer – Interstellar
Gery Yershan – Mr. Turner

Eine komplett offene Kategorie. Für Mr. Turner ist bereits die Nominierung ein großer Erfolg, Alexandre Desplat macht sich durch zwei Nominierungen natürlich große Hoffnungen. Doch in Grand Budapest Hotel und The Imitation Game überzeugt die Musik nicht in dem vordergründigen Maße, wie es der Score in Interstellar tut. Nach dem Sieg bei den Golden Globes und in Anbetracht der Tatsache, dass Die Entdeckung der Unendlichkeit sonst nur mit Eddie Redmayne ein Eisen im Feuer hat, fällt mein Tipp wie folgt aus.



Sollte gewinnen: Hans Zimmer – Interstellar
Wird gewinnen: Jóhann Jóhannsson – Die Entdeckung der Unendlichkeit



Bestes Make-up und beste Frisuren

Nominiert:

Foxcatcher
Grand Budapest Hotel
Guardians of the Galaxy

Da ich Grand Budapest Hotel in den Big-Five-Kategorien wenig Chancen ausrechne, sollte der Sieger hier feststehen.



Sollte gewinnen: Grand Budapest Hotel
Wird gewinnen: Grand Budapest Hotel



Bester Schnitt

Nominiert:

American Sniper
Boyhood
Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Whiplash

Whiplash sollte mit großem Abstand gewinnen – kein Film zog in diesem Jahr soviel Energie aus einem perfekten Schnitt. Doch wie Grand Budapest Hotel wird der technische Aspekt des Films in den Augen der Jury kaum Bedeutung haben. Mittelmäßige Filme wie The Imitaion Game, und vor allem American Sniper, haben hoffentlich mit der Entscheidung nichts zu tun, daher mein Tipp:



Sollte gewinnen: Whiplash
Wird gewinnen: Boyhood



Bestes Kostümdesign

Nominiert:

Maleficent
Mr. Turner
Inherent Vice
Into the Woods
Grand Budapest Hotel

Auch wenn diese Kategorie oftmals positiv für fantastische Stoffe ausfällt – Into the Woods und Maleficent wurden doch generell zu schlecht eingeschätzt, um bei den Oscars zu siegen.



Sollte gewinnen: Grand Budapest Hotel
Wird gewinnen: Grand Budapest Hotel



Beste Kamera

Nominiert:

Roger Deakins – Unbroken
Robert Yeoman – Grand Budapest Hotel
Lukasz Zal, Ryszard Lenczewski – Ida
Dick Pope – Mr. Turner
Emmanuel Lubezki – Birdman

In einem durchschnittlichen Oscarjahr hätten Dick Pope und Robert Yeoman beste Karten. Doch Birdmans technische Perfektion ist zu einem gewichtigen Teil Emmanuel Lubezki zu verdanken, der nach Gravity im vergangenen Jahr erneut revolutionäre Arbeit ablieferte. Ein Wort noch zu Roger Deakins: Dass der Mann hinter der Kamera von Skyfall, Prisoners, No Country for old Man und The Big Lebowski noch keinen Oscar im Schrank stehen hat, ist eine wahre Tragödie. Doch in Unbroken stellte er seine Fähigkeiten hinter das manipulative Drehbuch zurück. Glücklicherweise dürfte er mit der Entscheidung der Academy in diesem Jahr wenig zu tun haben.



Sollte gewinnen: Emmanuel Lubezki – Birdman
Wird gewinnen: Emmanuel Lubezki - Birdman



Bestes Szenenbild

Nominiert:

Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Interstellar
Into the Woods
Mr. Turner


Siehe bestes Kostümdesign. So sehr ich mich für Mr. Turner freuen würde (wer hätte gedacht, dass sich auch nur ein Jurymitglied für solch einen herausfordernden Film begeistert) – die offensichtliche Wahl ist hier auch die beste.



Sollte gewinnen: Grand Budapest Hotel
Wird gewinnen: Grand Budapest Hotel



Bester fremdsprachiger Film

Nominiert:

Ida – Polen
Wild Tales – Argentinien
Leviathan – Russland
Timbuktu – Mauretanien
Tangerines – Estland, Georgien


Rund um den Globus ist dies die jährlich spannendste Kategorie, die sich zudem nicht vorhersagen lässt. Während Leviathan mit dem Golden Globe und der Silbernen Palme von Cannes (bestes Drehbuch) aufwarten kann, dominierte Ida den europäischen Filmpreis und hat eine zweite Oscarnominierung für die beste Kamera in der Tasche. An bereits erfolgte Auszeichnungen hat sich die Academy bei der Suche nach dem besten fremdsprachigen Film jedoch kaum gehalten (Man denke nur an die unerwartete Niederlage von Michael Haneckes Das weiße Band 2010). Daher fallen meine Tipps nach persönlichen Vorlieben aus.


Sollte gewinnen: Wild Tales - Argentinien
Wird gewinnen: Leviathan – Russland



Bester Animationsfilm

Nominiert:

Drachenzähmen leicht gemacht 2
Baymax – Riesiges Robowabohu
Die Boxtrolls
Song of the Sea
Die Legende der Prinzessin Kaguya

Da der bereits auserkorene Sieger The LEGO Movie unter massivstem Protest von Filmfreunden aus der ganzen Welt nicht nominiert wurde, ist die Bühne frei für meinen Lieblings-Animationsfilm der vergangenen Monate.


Sollte gewinnen: Baymax – Riesiges Robowabohu
Wird gewinnen: Baymax – Riesiges Robowabohu



Bestes adaptiertes Drehbuch

Nominiert:

American Sniper
Die Entdeckung der Unendlichkeit
The Imitation Game
Inherent Vice
Whiplash

Der herausragendste Beitrag ist definitiv Inherent Vice. Dessen Dialoge sind schlicht großartig. Diese Entscheidung scheint mir für die Academy allerdings zu gewagt, weshalb mein Tipp auf die unkontroverseste Wahl fällt.


Sollte gewinnen: Inherent Vice
Wird gewinnen: Die Entdeckung der Unendlichkeit



Bestes Originaldrehbuch

Nominiert:

Birdman
Boyhood
Foxcatcher
Grand Budapest Hotel
Nightcrawler

Der in meinen Augen beste Film des Jahres brachte es letzten Endes auf nur diese eine Nominierung. Auch wenn Nightcrawler damit in Tradition des letzten Jahres, als Her überrachend und verdient diesen Oscar gewann, steht, vermute ich, dass die Academy für famose Dialogduelle statt atemberaubender Storyentwicklung stimmt. Ich könnte gut damit leben.



Sollte gewinnen: Nightcrawler
Wird gewinnen: Birdman



Beste Nebendarstellerin

Nominiert:

Patricia Arquette – Boyhood
Laura Dern – Wild
Keira Knightley – The Imitation Game
Emma Stone – Birdman
Meryl Streep – Into the Woods

Der einzige Oscar, der für The Imitaion Game in meinen Augen wirklich berechtigt wäre. Ob Keira Knightley besser war als Emma Stone, ist zwar noch zu bezweifeln, dennoch wurden beide von der umwerfenden Patricia Arquette übertroffen. Sie ist trotz der Nebenrolle das Herz des Mammutprojekts Boyhood. Ihre bisherigen Auszeichnungen für diese Rolle sprechen ebenfalls für sie. Eine Nominierung für Rene Russo in Nightcrawler wäre außerdem noch absolut notwendig gewesen.



Sollte gewinnen: Patricia Arquette – Boyhood
Wird gewinnen: Patricia Arquette – Boyhood



Bester Nebendarsteller

Nominiert:

Edward Norton – Birdman
Mark Ruffalo – Foxcatcher
Robert Duvall – Der Richter
J.K. Simmons – Whiplash
Ethan Hawke – Boyhood

Eine scheinbar feststehende Entscheidung, an der ich selbst keinen Zweifel hege. Welch eine Perforamnce von J.K. Simmons. Ein Trauerspiel für Edward Norton, der mit seiner Rolle jeden anderen Jahrgang dominiert hätte.



Sollte gewinnen: J.K. Simmons – Whiplash
Wird gewinnen: J.K. Simmons – Whiplash



Beste Hauptdarstellerin

Nominiert:

Felicity Jones – Die Entdeckung der Unendlichkeit
Rosamund Pike – Gone Girl
Reese Wtherspoon – Wild
Julianne Moore – Still Alice
Marion Cottilard – Zwei Tage, eine Nacht

Wie im vergangenen Jahr (Cate Blanchette gewann für ihre Rolle in Blue Jasmine) wurde auch in der Oscarsaison 2015 mit Julianne Moore eine Schauspielerin vorzeitig von den Medien als Quasi-Gewinnerin festgelegt. Für diese Leistung sei ihr der Preis auch mehr als gegönnt.



Sollte gewinnen: Julianne Moore – Still Alice
Wird gewinnen: Julianne Moore – Still Alice



Bester Hauptdarsteller

Nominiert:

Michael Keaton – Birdman
Benedict Cumberbatch – The Imitation Game
Eddie Redmayne – Die Entdeckung der Unendlichkeit
Bradley Cooper – American Sniper
Steve Carrell – Foxcatcher

Auch wenn mein absoluter Favorit für diesen Preis, Jake Gyllenhaal, sowie die ebenfalls großartigen Miles Teller (Whiplash) und Timothy Spall (Mr. Turner) nicht einmal nominiert wurden sind, fällt meine Wahl trotz allem gegen den gesetzten Favoriten Eddie Redmayne, der meiner Meinung nach, trotz einer großartigen Performance, zu sehr von seiner Figur profitiert.



Sollte gewinnen: Michael Keaton – Birdman
Wird gewinnen: Eddie Redmayne – Die Entdeckung der Unendlichkeit



Beste Regie

Nominiert:

Morten Tyldum – The Imitation Game
Wes Anderson – Grand Budapest Hotel
Richard Linklater – Boyhood
Alejandro Gonzáles Iñáritu – Birdman
Bennett Miller – Foxcatcher
 
Wie im vergangenen Jahr tippe ich auf verschiedene Gewinner in den Kategorien Regie und Film. Traditionell belohnt die Jury technisches Können eher mit dem Regiepreis, als allumfassende Filmprojekte. Diese bekommen gern die Auszeichnung für den besten Film (Bestes Beispiel: 2014 – Beste Regie: Gravity, bester Film: 12Years a Slave). In meinen Augen hat Richard Linklater jedoch durch die beeindruckende Arbeit mit den Schauspielern über 12 Jahre persönlich mehr Anteil am hervorragenden Ergebnis von Boyhood als Iñáritu für Birdman, in dem mich die technischen Eigenschaften des Films mehr überzeugten. Daher meine Prognose:


Sollte gewinnen: Richard Linklater – Boyhood
Wird gewinnen: Alejandro Gonzáles Iñáritu – Birdman



Bester Film

Nominiert:

Birdman
Boyhood
American Sniper
Grand Budapest Hotel
The Imitation Game
Die Entdeckung der Unendlichkeit
Selma
Whiplash

Auch wenn mich Boyhood emotional tiefer bewegte als Birdman – die Perfektion in allen Bereichen lassen mich für Birdman hoffen. Meine Einschätzung über das Vorgehen der Jury findet ihr unter Berste Regie.



Sollte gewinnen: Birdman
Wird gewinnen: Boyhood

Freitag, 20. Februar 2015

Im Takt bleiben







Whiplash

Die Frage, wie weit man gehen würde, um seine Ziele zu erreichen, welche Grenzen man überschreiten möchte, ist im Kino nicht neu. Doch anders als in klassischen Hollywood- Heldengeschichten projiziert Regisseur Damien Chazelle in seinem Drama Whiplash diese Ausgangssituation in eine herkömmliche Lehrer-Schüler-Beziehung und schafft somit etwas Außergewöhnliches. Als der junge Jazzschlagzeuger Andrew Neiman in die Studioband des gefürchteten Perfektionisten Terence Fletcher aufgenommen wird, beginnt er regelrecht besessen mit Hilfe der Musik um die Anerkennung seines Lehrers zu kämpfen. Doch dieser schreckt vor physischem und psychischem Terror nicht zurück. Whiplash ist zum einen der Titel eines Jazzstandards von Hank Levy, als auch gleichsam beispielsweise mit Peitschenhieb zu übersetzen. Und mit der Intensität eines solchen Schlags trifft Chazelles Remake seines eigenen Kurzfilms auch den Zuschauer. Der enorme Sog, in den Neiman gerät, und der seine Bindungen zu Freunden und Familie beträchtlich leiden lässt, überträgt sich ungebremst auf den Zuschauer. Wie im besten Thriller ist die Spannung gerade zu Nerven zerfetzend. Besonders die intensiv gefilmten Schlagzeug-Sequenzen treiben den Kinogängern den Schweiß auf die Stirn. Großartige Kameraarbeit und vor allem perfekte Schnitttechnik und Montage der Szenen machen aus Whiplash einen wahren Exzess, der noch lange nachwirkt. Einen besonderen Anteil an der Überzeugungskraft des Films gebührt den beiden Hauptdarstellern Miles Teller und J.K. Simmons. Während der Nebendarstelleroscar Simmons schon kaum noch zu nehmen scheint, sollte Teller meiner Meinung nach größere Anerkennung zuteil werden. Seine Darstellung des zunächst schüchternen Jugendlichen zwischen unbedingtem Willen und nackter Panik ist schlicht genial. Im fast kammerspielartigen Psychokrieg, der zwischen Fletcher und Neiman entbrannt, bleibt er der Fixpunkt für den Zuschauer und lässt uns so mitleiden. Nach dem atemberaubenden Finale macht es uns Whiplash außerdem wahrlich schwer, ein abschließendes Urteil über den Film zu bilden. Man ist angehalten, das Gesehene zu reflektieren. Toll, wenn Kino das schafft.

10/10


Für Fans von: Full Metal Jacket, Ray

Mittwoch, 18. Februar 2015

Von der Magie der Undurchdringlichkeit







Inherent Vice

Eine als unverfilmbar geltende Vorlage auf die große Leinwand zu bringen, hat schon so manchen legendären Regisseur hervorgebracht. Beispielhaft dafür seien Curtis Hanson und sein phänomenales L.A. Confidential (nach Stadt der Teufel von James Ellroy), sowie Peter Jacksons Der Herr der Ringe (nach der gleichnamigen Fantasy-Saga von J.R.R. Tolkien) genannt. Beide Werke galten als zu komplex, um sie im Kino adäquat wiedergeben zu können. Im vorliegenden Fall versucht sich eine wahre Regielegende an einem solch „unverfilmbaren“ Stoff. Paul Thomas Andersons Adaption des Thomas Pynchon Romans Natürliche Mängel ist ein knallbunter Bilderrausch, der die Verschachtelungen des Buches gar nicht erst zu entwirren versucht und dem Zuschauer eine durchgeknallte Detektivgeschichte im Los Angeles der frühen 70er Jahre präsentiert. Die Handlung um den dauerbekifften Privatschnüffler „Doc“ Sportello, der in einem Entführungsfall ermittelt, ist vom geneigten Kinogänger spätestens nach der Hälfte des Film nicht mehr nachvollziehbar. Dieser Zustand ist vom Regisseur auch definitiv beabsichtigt. Vielmehr nimmt uns PTA auf einen Trip durch die Post-Hippie-Ära mit allerlei schrägen Gestalten und unwahrscheinlichen Entwicklungen. Umso witziger sind die tiefgründigen Resümees, die Doc unter zunehmendem Drogeneinfluss ständig zieht. Er ist der Mann mit dem Durchblick. Dass diese Rolle nicht zur Karikatur verkommt, ist zusätzlich dem grandiosen Joaquin Phoenix zu verdanken. Als Getriebener der Ereignisse zieht er mit seinem überzeugenden Spiel die Sympathien der Zuschauer durchgängig auf seine Seite. Unterstützt wird Phoenix von einem absoluten All-Star-Cast. Neben Gastauftritten von Benicio del Toro, Eric Roberts und Boardwalk Empire-Star Michael K. Williams, bleiben vor allem Josh Brolin als Mordermittler mit Emotionsstörung, Owen Wilson als Spitzel in den Händen einer nationalistischen Sekte und Reese Witherspoon als nymphomanische Staatsanwältin in Erinnerung. Dazu bietet Inherent Vice einen grandiosen Seventies-Soundtrack. PTA's Reise in die marihuanageschwängerte Westküstenwelt ist somit ein Fest für alle Sinne. Zum Ende hin geht dem Streifen allerdings zunehmend die Puste aus. Eine Straffung hätte Inherent Vice definitiv gut getan. Was bleibt ist ein außergewöhnlicher Film, der das Publikum mit Sicherheit spalten wird.

8/10


Für Fans von: The Big Lebowski, Chinatown, Fear and Lothing in Las Vegas

Darauf einen Grapefruitsaft






Wild Card

Wenn der Mann hinter Con Air und The Expandables 2, Simon West, gemeinsam mit Handkanten-Action-Superstar Jason Statham einen neuen Film ins Kino bringt, schlagen die Herzen aller Fans von großflächig angelegten Zerstörugsorgien zugleich schneller. Doch was uns die beiden jetzt mit Wild Card zeigen, ist kein Shootout-, oder Nahkampffestival, sondern ein bedächtig erzähltes Charakterdrama aus dem Inneren von Las Vegas. Zwar sehen wir The Stath in ein paar wenigen, sehr kurz gehaltenen Szenen auch stylisch inszeniert Tritte und Schläge austeilen, doch anders als im Trailer propagiert, überzeugt der Brite in Wild Card durch sein überraschend nuanciertes und sympathisches Spiel. Seine Hauptfigur Nick Wild hält den etwas zerfahrenen und unübersichtlichen Film gut zusammen, er ist das Zentrum aller Handlungsstränge. Eine konventionelle Dramaturgie fehlt in Wild Card. Stattdessen wird fast episodisch aus dem Leben von Nick Wild, seines Zeichens Personenschützer, erzählt. Ob er nun Freunden in Beziehungsproblemen hilft, einen jungen Abenteurer in die dunklen Seiten der Glücksspielmetropole einweist, oder sich einer Gangsterbande entgegenstellt – Nick Wild ist stets auf der Suche nach dem großen Geld. Simon West inszeniert Las Vegas dabei weder als komplett verkommenes Sodom und Gomorrha, noch als glitzerndes Touristenparadies. Seine Wüstenstadt ist eine reale Ansammlung von Menschen mit Nöten und Ängsten, aber auch Zielen und Hoffnungen. Wild Card bleibt dabei stets warmherzig und humorvoll – bei einer Laufzeit von 92 Minuten allerdings auch erwartbar oberflächlich. Auch wenn man in einem Film des Regisseurs von Tomb Raider nicht zwangsläufig großes Schauspielkino erwartet, so profitiert Wild Card doch von seiner ausgewogenen Besetzung. In Nebenrollen überzeugen unter anderem Hope Davis und Heroes-Star Milo Ventimiglia. Dazu sehen wir Gastauftritte von Sofia Vergara, Stanley Tucci und Seinfeld-Kultschauspieler Jason Alexander. Es geht auch mit wenig Action – Wild Card ist gediegene Dramaunterhaltung für Zwischendurch.

6/10

Für Fans von: The Gambler, The Mechanic

Donnerstag, 12. Februar 2015

Er hatte einen Traum







Selma

50 Jahre ist es nun her, dass Dr. Martin Luther King mit seinen Protestmärschen in Alabama Geschichte schrieb. Doch erst jetzt wagte sich mit Regisseurin Ava DuVernay jemand an der filmischen Aufarbeitung der damaligen Ereignisse. Selma behandelt das Leben des großen Bürgerrechtlers in der Zeit zwischen dem Attentat von Birmingham 1963 und der Unterzeichnung des historischen Voting Rights Act durch Präsident Lyndon B. Johnson im August 1965. DuVernay selbst stammt aus einer Stadt, an denen die Märsche seinerzeit vorbeiführten. Ihre besondere Bindung zur Bewegung von Martin Luther King ist Selma in jeder Sekunde anzumerken. Mit einem beeindruckenden Gefühl für Bilder, Stimmungen und den Einsatz von Musik, wurde der Streifen zu einem sehr intimen Portrait eines Mannes, der heute als Legende wahrgenommen wird, im Film jedoch sehr realitätsnah auch als hadernder Privatmensch gezeigt wird. Selma wurde größtenteils an Originalschauplätzen wie der legendären Edmund-Pettus-Bridge gedreht und wird in breitem Cinemascope gezeigt. Zusammen mit einem tollen Setdesign und großartigen Kostümen gerät die manchmal etwas ausschweifende Geschichte dennoch sehr glaubhaft und greifbar. Besonders der historische und politische Kontext interessiert DuVernay, neben King selbst, hier sehr. Mit Leichtigkeit werden bedeutende und polarisierende Männer wie Malcom X oder FBI-Chef J. Edgar Hoover ins Gesamtgeschehen eingebunden. Dazu beeindrucken die Szenen, die King im Zwiegespräch mit Präsident Johnson zeigen, enorm. Verantwortlich für die Produktion von Selma zeigen sich unter anderem Brad Pitt und Talklegende Oprah Winfrey, die im fertigen Film auch eine Nebenrolle spielt. Doch Prominenz lässt sich hauptsächlich vor der Kamera finden. Das relativ junge Team um Ava DuVernay konnte Leinwandlegenden wie Tim Roth, Tom Wilkinson, Giovanni Ribisi und, völlig überraschend, auch Cuba Gooding Jr. und Martin Sheen rund um den brillanten Hauptdarsteller David Oyelowo versammeln. Letzterer gibt seinen Dr. King mit einer unbeschreiblichen Präsenz und Authentizität. Wenn zum Abschluss des Films in Originalaufnahmen übergeblendet wird, ist dieser Aspekt besonderes hervorstechend. In Zeiten, in denen das Geschehen im Alabama der sechziger Jahre mit Blick auf die Ereignisse in Ferguson oder den Tod von Trayvon Martin aktueller ist denn je, bietet Selma einen schlüssiges Gesamtbild über das zentrale Wirken von Martin Luther King, dass nur manchmal etwas zu aufgeladen wirkt.

9/10


Für Fans von: Der Butler, 12 Years a Slave

Nationen-Hopping mit dem Donnergott







Blackhat

Heat, Insider, Collateral – die größten Filme des Michael Mann liegen leider schon bis zu 20 Jahre zurück. Und nun offenbart sich eine große Schwäche von Regisseuren, die durch ihre technische Perfektion berühmt wurden auch bei ihm. Was in seinen letzten Werken Miami Vice und Public Enemies schon angedeutet wurde, ist in Blackhat nun das zentrale Problem: Die Form siegt stets über den Inhalt. In einer Geschichte, die für sich genommen einen großen Beitrag zur amerikanisch-chinesischen Völkerverständigung beitragen könnte, versuchen Agenten und Computerspezialisten beider Großmächte einen global agierenden Hacker zu stoppen, der die Welt mit seinen Anschlägen auf Atomkraftwerke und Börsen in eine schwere Krise stürzt. Mit der Besetzung Chris Hemsworth in der Hauptrolle sorgte Regisseur Michael Mann schon im Vorfeld für große Diskussionen, die sich allesamt als berechtigt erweisen. Der amtierende Sexiest Man Alive ist für einen hochbegabten Nerd und langjährigen Gefängnisinsassen in der Hauptrolle schlicht die falsche Wahl. Dass dieser im Laufe des Filme selbstverständlich auch trainiert im Nahkampf und im Umgang mit Schusswaffen ist, passt hingegen deutlich besser zum Thor-Darsteller. Die Glaubwürdigkeit des Protagonisten schwindet allerdings. Blackhat leidet vor allem an einem unausgegorenen Drehbuch. Während der stattlichen Laufzeit von 133 Minuten werden zahlreiche Erzählstränge und Figuren präsentiert, die im Laufe des Films in der Versenkung verschwinden. Dazu strapazieren ständige Tempowechsel die Konzentrationsfähigkeit der Kinobesucher. Während ein abwechslungsreiches Beieinander von ruhigen und hektischen Szenen einen Film stets unterhaltsam macht, ändert Blackhat regelmäßig in Gänze seine Ausrichtung. Spionagethriller, Liebesfilm, und spektakulärer Actionstreifen – all dies greift kaum ineinander und verwirft so die Entwicklungen des bisher Gezeigten. Über alle Zweifel erhaben ist jedoch die technische Komponente in Blackhat. Hier wirkt sich eine große Bandbreite an verschiedenen Stilmitteln äußerst positiv aus. Im gesamten Film ist spannende Kameraarbeit zu entdecken. Flimmernde Panoramen, detailreiche Close-Ups und spektakulär geschnittene Actionsequenzen bieten zusammen mit der Hochglanzoptik des Film ein mehr als stimmiges Ganzes. Dazu weiß der abwechslungsreiche Soundtrack von Atticus Ross (The Social Network, Verblendung, Gone Girl) zu gefallen. Michael Mann Fans werden nicht umhin kommen, Blackhat zu sehen, Freunde klassischer Thriller dürften enttäuscht aus dem Kino gehen.

5/10


Für Fans von: Who am I, Password: Swordfish

Montag, 9. Februar 2015

Der Stuhlgang des Diktators


The Interview

Ein solches politisches Erdbeben hat wohl noch kein Film verursacht, bevor er überhaupt gezeigt worden war. Seit der Ankündigung der Regisseure und Produzenten Seth Rogen und Evan Goldberg zusammen mit Hauptdarsteller James Franco eine Satire über die Nordkoreanische Diktatur machen zu wollen, begleitete ständiges Säbelrasseln bis hin zur offenen Kriegsdrohung die Entstehung des Werkes. Die entscheidende Frage lautet natürlich, ob der Film um die geplante Ermordung des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un durch einen amerikanischen Talkshowmoderator und dessen Produzenten die Aufregung, zumindest teilweise, wert war. Die Antwort ist nein. Zu keiner Zeit schafft es The Interview großes satirisches oder gar entlarvendes Material über die nordkoreanischen Verhältnisse offenzulegen. Die dortige Propagandamaschinerie auf der einen Seite zu entblößen, während man Kim Jong-un als weinerlichen Außenseiter darstellt, misslingt. Letzterem gehören definitiv die Sympathien des Publikums. Seine Verwandlung zum grausamen Herrscher gelingt nicht glaubwürdig. Weiterhin hat The Interview, auch in der Betrachtung als reine Komödie, zusätzlich mit einigen Problemen zu kämpfen. James Franco ist als extravaganter Rampensau die Spielfreude zwar regelrecht anzusehen, doch seine Figur ist in jeglicher Hinsicht übertrieben angelegt. Damit fällt die Identifikation mit dem Hauptcharakter schwer und ein Mitfiebern ist nicht möglich. Außerdem macht The Interview von ausuferndem Witzrecycling Gebrauch. Kaum eine Pointe steht für sich allein und sorgt für ironische Zwischentöne, der komplette Humor, egal ob geschmackssicher oder unter der Gürtellinie (Zweiteres überwiegt leider), wird mit der Brechstange serviert. Doch The Interview hat durchaus auch seine Qualitäten. Zum einen zünden viele Gags, zumindest beim ersten Mal, erstaunlich gut, zum anderen bleibt das Erzähltempo stets hoch, sodass während der Laufzeit von 112 Minuten keinerlei Leerlauf entsteht. Des Weiteren bietet der Film großartige Seitenhiebe auf den realen Showbiz (die ersten 5 Minuten sind einfach genial). Zum großen Finale artet The Interview dann in eine Action- und Splatterorgie aus, die überrascht und irrwitzig komisch ist. Somit bleibt eine verhältnismäßig unterhaltsame Komödie, die die angestrebte satirische Abrechnung mit einer Diktatur jedoch meilenweit verfehlt. Tipp: Schaut euch The Interview im O-Ton an. Die deutsche Synchro ist leider grauenhaft schlecht gelungen.

5/10


Für Fans von: Bad Neighbors, Tropic Thunder

Freitag, 6. Februar 2015

Eine Nase auf Fuchsjagd



Foxcatcher

Mit nur zwei international bekannten Filmen hat es Regisseur Bennett Miller geschafft sich einen Ruf als Experte für den richtigen Umgang mit Schauspielern zu erarbeiten. Wie bereits in Moneyball (Oscarnominierungen für Brad Pitt und Jonah Hill) und natürlich Capote (oscarprämierter Karrierehöhepunkt für Philip Seymour Hoffman) ist auch Foxcatcher ergreifendes Schauspielkino, das bei den diesjährigen Academy Awards durch die beeindruckenden Leistungen von Steve Carell, Mark Ruffalo und Channing Tatum ein gehöriges Wörtchen mitreden dürfte. Miller erzählt hier die Geschichte des olympischen Goldmedalliengewinners im Ringen, Mark Schultz, seinem Bruder Dave und der Beziehung beider zum exzentrischen Millionär und Ringsportmäzens John E DuPont. Schon in Capote zeigte sich Millers Gespür für ungewöhnliche, zeitgeschichtlich spannende Stoffe. Auch wenn er in Foxcatcher zu dramaturgischen Zwecken die Geschichte etwa 5 Jahre zurück verlegt, wirkt jeder Aspekt des Filmes wie aus einem Guss. Trotz der Ansiedlung Foxcatchers im Sportlermillieu, ein Werk über den Aufstieg eines international gefeierten Athleten sollte man nicht erwarten. Die Ringerduelle sind zwar enorm packend inszeniert und man meint regelrecht den Schweiß in den Turnhallen riechen zu können, doch vordergründig ist Foxcatcher ein tiefgreifendes Psychogramm über Abhängigkeiten mit enormer Sogwirkung. Jeder der drei Hauptakteure verschwindet komplett hinter seinem Charakter und lässt den Zuschauer mit den Figuren in einen Strudel aus Fremdbestimmung, psychischer Ausnutzung und falschen Hoffnungen absteigen. Foxcatcher ist dabei erwartungsgemäß kein Film für ein großes Publikum. Wie Millers frühere Werke ist das Gezeigte teils unzulänglich und sperrig, dazu ist der Streifen auch gut eine Viertelstunde zu lang. Für Fans intimer Seelenstripteases und großer schauspielerischer Leistungen jedoch, ist Foxcatcher definitiv empfehlenswert.

8/10



Für Fans von: Capote, The Fighter, Wie ein wilder Stier

Donnerstag, 5. Februar 2015

Herrscherin wider Willen







Jupiter Ascending

In den meisten Fällen steht eine lange Verzögerung des Kinostarts für Unzufriedenheit von Beteiligten, die Korrekturen bedürfen. Ein oftmals schlechtes Zeichen. Im Falle von Jupiter Ascending ist hingegen davon auszugehen, dass die Wachowskis die Verschiebung der Veröffentlichung des Films um fast ein ganzes Jahr (und wahrscheinlich auch Teile des enormen Budgets von 175 Millionen Dollar) nutzten, um sich detaillierter an den beeindruckenden visuellen Effekten auszutoben. Denn diese sind mit Abstand das unangefochtene Highlight eines Filmes, der zu viel sein möchte und recht wenig davon tatsächlich ist. Titelheldin Jupiter Jones erfährt von ihrer königlichen Abstammung aus einem alten und zerstrittenen Adelsgeschlecht, das Teile des Universums besitzt. Fortan sieht sie sich in eine intergalaktische Reise geworfen, die sie und ihren Beschützer Caine auf allerlei Planeten und in lebensgefährliche Abenteuer führt. Wie eingangs angedeutet sieht Jupiter Ascending fantastisch aus. Kostüme, Make-up, vor allem aber Special-Effects und Set-Design sind wahrlich atemberaubend. Die Tiefen des Weltalls nach Vorstellungen der Wachowskis zu sehen ist ein wahres Vergnügen für jeden Science-Fiction-Fan. Ein monumentaler Score vom oscarprämierten Komponisten Michael Giacchino (Oben) sorgt zusätzlich für ein episches Gefühl. Dazu ist Jupiter Ascending in den Hauptrollen mit Mila Kunis und Channing Tatum, in den Nebenrollen mit dem eben oscarnominierten Eddie Redmayne, der mit Voldemort-Gedächtnis-Wispern und schleimigem Overacting auffällt, und Sean Bean prominent besetzt. Doch schon bei den Schauspielern fangen die Probleme an. In keiner Sekunde verkörpert Mila Kunis glaubhaft, was ihrem Charakter Unglaubliches widerfährt. Channing Tatum wird an ihrer Seite zum bloßen Retter in der Not degradiert und muss gegen eine schlecht konzipierte Rolle anspielen. Und so ist es zum zweiten auch das Drehbuch, welches Jupiter Ascending sehr mittelmäßig wirken lässt. Themen wie Genforschung, ökologische Ausbeutung und das Ziel eines friedvollen Miteinanders werden zur Sprache gebracht. Der Film wirkt dadurch sehr breit angelegt. Mit fortschreitender Spieldauer verschwinden Handlungsstränge und eingeführte Figuren jedoch komplett aus dem Film und Jupiter Ascending entpuppt sich als reines Ränkespiel in einem Erbschaftsstreit. Auch wenn der neue Streich der Wachowskis optisch an ihre Klassiker Matrix und den vielfach unterschätzten Cloud Atlas anknüpfen kann, inhaltlich ist er enttäuschend.

5/10


Für Fans von: Star Wars I-III, Guardians of the Galaxy

Mittwoch, 4. Februar 2015

Die Rache des Hundemannes







John Wick

Es waren erstaunliche Flops wie The Man of Tai Chi und 47 Ronin, durch die Keanu Reeves in den letzten Jahren versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Doch glücklicherweise besinnt sich der Speed- und Matrixstar im aktuellen Racheactioner John Wick auf seine hochoktanischen Geschwindigkeitsklassiker der 90er Jahre und liefert im Regiedebüt der Stunt-Coordinator David Leitch und Chad Stahelski eine rastlose und augenzwinkernde Performance ab. Wer sich als Zuschauer an der albernen Grundprämisse des Films (ehemaliger Auftragskiller der russischen Mafia kehrt nach der Ermordung seines Hundes in die Unterwelt zurück um Vergeltung zu üben) nicht stört, wird über die kompletten 100 Minuten bestens unterhalten. John Wick hält sich nicht mit langen Einführungen in Story oder Figurenzeichnung auf, sondern bietet ein durchgestyltes Bleiballett. Die Actionszenen, die hier selbst für Genrefilme einen großen Teil der Laufzeit ausmachen, sind grandios inszeniert. Alle Schießereien und Mann-gegen-Mann-Gefechte bieten kurzweilige Unterhaltung bei gesunder Härte. Obgleich Logik und Physik keine zentralen Bestandteile dieser Sequenzen sind, punktet John Wick dennoch mit bodenständiger Action, fernab von aufgesetzten Superhelden-Explosionsorgien à la The Avengers. Des Weiteren profitiert John Wick von der innovativen Darstellung einer kriminellen Parallelwelt. Eigene Richtlinien und Gesetze werden, wie sonst in einschlägigen Gangsterfilmen, nicht nur in Schlüsselmomenten präsentiert, sie bestimmen das Handeln aller Figuren durch den gesamten Film. Dieses eigene Universum für Mafiosi und Auftragskiller nutzt John Wick schließlich auch als Nährboden für einige illustre Nebencharaktere. So bleiben Newcomerin Adrienne Palicki als konkurrierende Hitwoman, Michael Nyqvist als charismatischer Gangsterboss und Willem Dafoe als väterlicher Freund von John Wick besonders in Erinnerung. Der komplette Film ist dazu in einem eiskalten, blau-grauen Look gehalten, der John Wicks hervorstechende Coolness (man beachte alle Autos, die unser Antiheld im Film fährt) und die zynische Brutalität des Streifens noch zusätzlich unterstreicht. Hier werden keine Gefangenen gemacht. Für Fans unterhaltsamen Actionkinos ohne sonderlichen Tiefgang ist John Wick somit mehr als nur eine Empfehlung.

7/10


Für Fans von: The Equalizer, Das Leben nach dem Tod in Denver, Max Payne