Girl
on the Train
Die
Erwartungen an diesen Film waren erstaunlich. Ein Psychothriller mit
starker, weiblicher Hauptfigur, angesiedelt im wohlhabenden,
suburbanen Amerika der Jetztzeit, entwickelt nach einem
Weltbestseller. Dass hier Gone Girl nachgeeifert werden sollte, war
niemals ein Geheimnis. Und natürlich gilt auch im Falle von Girl on
the Train: Besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht. Doch was
The Help-Regisseur Tate Taylor mit seiner literarisch sehr
umstrittenen Vorlage hier anstellt ist ein reines Fiasko, egal ob
nach bestem Vorbild oder nicht. Die erste halbe Stunde des 112
minütigen Streifens lullt den Zuschauer noch in klinisch
beleuchteten Hochglanzbildern und Unwissenheit ein. Doch sobald die
eigentliche Story ins Rollen kommt, wird mit jeder Szene deutlicher,
was Girl on the Train so miserabel macht. Es sind nicht die
offensichtlichen Kopien großer Filme (das Wort Hommage sei hier
dringlichst vermieden). Hier wird neben David Finchers Meisterwerk
vor allem Regielegende Alfred Hitchcock und dessen Klassiker Das
Fesnter zum Hof und Vertigo benutzt. Es sind nicht die per se
begabten Schauspieler. Emily Blunt, Rebecca Ferguson, Luke Evans,
Edgar Ramirez und Lisa Kudrow retten Girl on the Train zwar nicht,
reißen ihn aber auch nicht eigenhändig in den Abgrund. Und es sind
auch nicht Danny Elfmans ordentlicher Score oder die Versuche Themen
wie Voyeurismus, gewalttätige Beziehungen oder Sucht und
Abhängigkeit zu einem Krimiplot zu verweben. Es ist die schiere
Ignoranz der Filmemacher dem Publikum gegenüber. Wir werden für
völlig dämlich verkauft. Wo Gone Girl seine Herkunft als
Pulp-Roman noch sarkastisch feierte und keinen Zweifel am
übertriebenen Eskapismus seiner Geschichte aufkommen ließ, suhlt
sich Girl on the Train geradezu in Ernsthaftigkeit und dem absoluten
Vermeiden von Humor. Dies führt im Kinosaal natürlich zu herrlich
unfreiwilliger Komik. Denn der Kinofreund ist nicht so blöd, wie es
uns Tate Taylor gern glauben lassen würde. Dazu kommt der
Hochglanzthriller rein objektiv nie über das Niveau einer
Seifenoper hinaus. Alle Wendungen sind völlig vorhersehbar, die
Entscheidungen der handelnden Personen werden immer unglaubwürdiger
und bis zum Ende des Filmes hat mein keine einzige sympathische
Figur angetroffen, um die man sich sorgen oder mit der man
mitfiebern konnte. Dazu wird ein interessanter Aspekt der Vorlage –
die Erzählung der Geschichte aus der Perspektive der drei weiblichen
Hauptcharaktere – vom Film in den Anfangsminuten aufgegriffen und
anschließend erklärungslos aufgegeben. Somit ist Girl on the Train
schlicht billig, traurig und beleidigend. Glücklicherweise auch
schnell zu vergessen.
3/10
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