Ein äußerst durchschnittliches Kinojahr geht zu Ende. Die Qualität, der im Folgenden aufgeführten Top-Filme des Jahres ist unheingeschränkt hoch, dennoch rührt die große Dichte an der Spitze eher vom Fehlen des ganz großen Wurfes her. Viele Positionen wären daher vertauschbar, doch alle diese Streifen sind äußerst empfehlenswert. Wie immer hielt ich mich bei der Auswahl der Filme streng an die Kinostarts in Deutschland, obwohl die eigentliche Saison hier ja erst Ende Februar oder Anfang März endet, wenn die großen Oscarblockbuster in den Kinos gelaufen sind. Somit findet ihr hier wie gewohnt viele Streifen aus dem ersten Quartal 2016.
Dies sind die besten (und einige der schlechtesten) Filme des vergangenen Jahres:
10
– The Jungle Book
Bildgewaltige,
düstere und stimmungsvolle Liveaction-Neuauflage des
Disneyklassikers. Zumindest in der Originalfassung perfekt
synchronisiert. Optisch bahnbrechend und musikalisch spannend
umgesetzt.
9 –
The Revenant
Perfekte
Bilder, perfektes Schauspiel, perfekter Film. Jedoch schreit hier
alles vordergründig nach Aufmerksamkeit und Preisen. Daher nur Platz
9. Aber für Leo gab es den Oscar. Endlich.
8 –
Vor der Morgenröte
Blieb
mir stärker im Gedächtnis als erwartet. 4 Szenen aus dem Leben
Stefan Zweigs. Ein frischer Blick auf das so gern für tot erklärte
Bio-Pic-Genre. Erstklassig von Josef Hader und Aenne Schwarz gespielt
und mit großartiger Kameraarbeit veredelt.
7 –
Rogue One: A Star Wars Story
Für
mich sind Star Wars-Filme cineastische Highlights, nicht mehr. Ich
verbinde mit ihnen keine Sehnsüchte nach verlorenen Kindheitstagen.
Daher sehe ich Rogue One einfach als einen hervorragenden und
erstaunlich kompromisslosen Sci-Fi-Kriegsfilm mit dem gewissen Etwas.
4
Filme, die ich in diesem Jahr besser nicht gesehen hätte
Louder
than bombs
Hochkarätig
besetzter Schuss in den Ofen. Dröger und unendlich langweiliger
Arthousefilm, in dem weder etwas passiert, noch irgendeine Figur eine
Entwicklung durchlebt. Kunst, um der Kunst willen vom norwegischen
Newcomer Joachim Trier
Point
Break
Das
wahrscheinlich schwachsinnigste Drehbuch des Jahres. Zwei Stunden
völliger Fremdscham mit unterentwickelten Figuren und lächerlichen
Szenen. Nur die Stuntcrew wusste zu überzeugen. Ein Mahnmal wider
dem Remakewahn.
Triple
9
Eine
schier endlose Brigade von A-Listern in einem heillos überfrachteten
Cop-Thriller ohne Struktur oder Glaubwürdigkeit. Hier wollten alle
nur ihren Gehaltsscheck. Ermüdender und uninspirierter Quatsch.
Girl
on the train
Gone
Girl für ganz ganz Arme. Per se als Trashfest genießbar, wäre da
nicht die unerklärliche Ernsthaftigkeit, mit der sich Girl on the
Train verkaufen will. Noch nie habe ich einen Kinosaal vor
unfreiwilliger Komik so herzhaft lachen hören. Große
schauspielerische Talente werden hier reinem Schrott geopfert. Ein
scheußlicher Film.
6 –
Everybody wants some!!
Das
Feel-Good-Movie des Jahres. Frische Gesichter und alte Gassenhauer in
Richard Linklaters Quasi-Fortsetzung von Dazed and Confused. Ein
Wochenende Party, Freiheit und große Wahrheiten. Witzig, Warmherzig
und unverkrampft nostalgisch. Die vielleicht beste Teeniekomödie
seit den 80ern.
5 –
Spotlight
Oscar
für den besten Film. Das großartigste Casting des Jahres. Dazu eine
unaufgeregte, zeitlose Inszenierung, die stets begeistert, aber nie
das bedrückende Drehbuch überlagert. Ein immens wirkungsvoller
Journalistenthriller alter Schule.
4 –
Arrival
Dennis
Villeneuve hat nach Prisoners und Sicario in den vergangenen Jahren
auch 2016 einen Platz in dieser Liste sicher. Arrival sucht nach dem,
was uns menschlich macht, ist dabei clever, realistisch und wirklich
charmant. Intelligente Science-Fiction über die Kraft der
Kommunikation mit beeindruckenden Klängen von Jóhann Jóhannsson.
5
Filme, die die Top Ten knapp verpassten
Midnight
Special
Berührendes
Sci-Fi-Drama mit einer großen Portion Spielberg. Mit Michael
Shannon, Adam Driver und Kirsten Dunst bestens besetzt. Inhaltlich
überraschend, visuell eindrucksvoll. Für den großen Sprung aber
etwas minimalistisch.
Mustang
Mustang
Türkisch-Französische
Koproduktion um 5 Töchter, die in den Weiten Anatoliens ihrer
rückständigen Familie entkommen wollen. Selten wurde
Freiheitswillen so quirlig und lebendig auf die Leinwand gebracht.
Konkurrierte um den Auslandsoscar.
El
Clan
Die
erstaunliche Geschichte einer hochangesehenen, argentinischen
Familie, die ihre Kontakte in Politik und Wirtschaft nutzt, um
ungestört dem Gangsterdasein zu frönen. Unterhaltsam,
inszenatorisch überraschend, insgesamt nur etwas überfrachtet.
Der
Schamane und die Schlange
Ein
beeindruckender, fiebriger Ritt in schwarz und weiß. Wir folgen
Menschen, die auf zwei Zeitebenen einer Heilpflanze der amazonischen
Ureinwohner auf der Spur sind. Ein Film, der trotz seiner
psychedelischen Inszenierung viel zum Thema Kolonisierung zu sagen
hat. Ein würdiger, erster jemals für einen Oscar nominierter,
kolumbianischer Streifen.
Sing
Street
Pure
Lebensfreude, die Popmusik der 80er, jugendlicher Tatendrang und eine
zeitlose Liebesgeschichte ohne Kitsch machten aus Sing Street einen
kleinen aber eindrucksvollen Überraschungsfilm. Nach Once und Can a
song save your life? der dritte großartige Musikfilm von John
Carney.
3 –
Raum
Kein
Film war 2016 bedrückender und machte zugleich hoffnungsvoll und
fassungslos. Geniale Performances von Brie Larson (oscarprämiert)
und Newcomer Jacob Tremblay. Ein zutiefst menschlicher Film über die
Torturen einer jungen Mutter und ihres Sohnes.
2 –
The Nice Guys
Der
einzige Film, den ich in diesem Jahr zweimal im Kino gesehen habe –
aus gutem Grund. The Nice Guys ist durchgedrehtes unerwartbares und
zum Schreien komisches Kino. Die Geschichte zweier Privatdetektive
ist dank Ryan Gosling und Russell Crowe ein wahres Fest voller
skurriler Szenen, einprägsamer Charaktere und einem herrlichen
Gefühl für das Leben in den 70er Jahren.
1 –
The Big Short
Das
perfekte Ensemblestück. Steve Carrell, Brad Pitt, Christian Bale
und, erneut, Ryan Gosling führen in dieser hochoktanigen Wall
Street-Komödie durch die völlig widerwärtigen Geschäftspraktiken,
die zur weltweiten Finanzkrise 2007/2008 führten. Mit einer
Überdosis Fantasie und einem perfekt adaptierten Drehbuch macht uns
Regisseur Adam McKay trotz viel Fachchinesisch menschliche Schicksale
hinter den Maschinerien des Investmentbankings auf amüsanteste Weise
begreiflich. The Big Short ist nicht nur Margot Robbie im Schaumbad,
es ist ein Film, der auch nach dem wiederholten Male noch
uneingeschränkt begeistert. Mein Lieblingsfilm 2016 und dazu einer
der am besten geschnittenen Streifen aller Zeiten.