Sonntag, 26. Februar 2017

Oscarvorhersage 2017

Oscarvorhersage 2017


Zu den diesjährigen, den 89. Academy Awards wird wohl alle Welt hauptsächlich der Frage nachgehen, wie groß die Dominanz von La La Land und seinen 14 Nominierungen für den Goldjungen ist. Wenn wir uns die aufgeladenen Diskussionen rund um die vergangene Oscarverleihung ins Gedächtnis rufen, ist dies allerdings ein sehr gutes Zeichen.

Wie immer ließ ich in meinen Einschätzungen die Kurz- und Dokumentationsfilmkategorien außen vor.

So findet sich hier nun die Liste aller Nominierten, eine persönliche Einschätzung der Sachlage sowie meine Hoffnungen und meine Tipps.

Viel Spaß!

Bestes Originaldrehbuch

Nominiert: 

Hell or High Water
La La Land
The Lobster
Manchester by the sea
20th Century Woman

Hier bin ich direkt mal mit der Nominierung für La La Land unzufrieden. Wenn der Film ein Verbesserung erfahren dürfte, dann wohl in puncto erzählerischem Timing. Die Geschichten von Hell or High Water sowie The Lobster haben mich persönlich am meisten fasziniert, doch da Manchester by the sea vom absoluten Oscarfavoriten in zahlreichen Kategorien immer mehr aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, tippe ich auf diesen „Entschuldigungsoscar“.


Sollte gewinnen: Hell or High Water
Wird gewinnen: Manchester by the sea


Bestes adaptiertes Drehbuch

Nominiert: 

Arrival
Fences
Hidden Figures
Lion
Moonlight

Für mich eine völlig offene Kategorie. Letztendlich sollte es aber auf ein Duell zwischen Arrival und Moonlight hinauslaufen, weil ein Drehbuchoscar für Fences ein falsches Zeichen an alle Autoren wäre. Hier war der Tony absolut angebracht.


Sollte gewinnen: Arrival
 Wird gewinnen: Moonlight


Beste visuelle Effekte

Nominiert: 

Deepwater Horizon
Doctor Strange
The Jungle Book
Kubo, der tapfere Samurai
Rogue One: A Star Wars Story

Für die überragende Arbeit des Animationsteams hinter The Jungle Book wäre alles andere als der Goldjunge enttäuschend.


Sollte gewinnen: The Jungle Book
Wird gewinnen: The Jungle Book


Bester Ton

Nominiert:

Arrival
Hacksaw Ridge
La La Land
Rogue One: A Star Wars Story
13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi


Kriegsfilme haben hier immer einen Vorteil. Dazu befürchte ich, dass Hacksaw Ridge mit den Oscars für Ton und Tonschnitt bedacht wird, um Mel Gibsons filmische Läuterung zu würdigen, ohne Hacksaw Ridge in großen Kategorien prämieren zu müssen.


Sollte gewinnen: Arrival
Wird gewinnen: Hacksaw Ridge


Bester Tonschnitt

Nominiert: 

Arrival
La La Land
Hacksaw Ridge
Sully
Deepwater Horizon

Siehe Bester Ton. Überraschend: Zwischen beiden Kategorien gibt es nur drei Überschneidungen. Deepwater Horizon hätte einen Preis für seine furiose Akustik verdient gehabt.


Sollte gewinnen: Deepwater Horizon
Wird gewinnen: Hacksaw Ridge


Bestes Szenenbild

Nominiert: 

Arrival
Hail, Caesar!
La La Land
Passengers
Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind

Passengers und das Harry Potter – Prequel sind als Filme zu schlecht, um ernsthaft um Preise konkurrieren zu können. Arrivals inszenatorischer Sci-Fi-Minimalismus wird die Academy auch nicht vom Hocker gerissen haben. La La Land ist natürlich Favorit, doch die Traumfabrik gefiel mit in Hail, Caesar noch etwas besser.


Sollte gewinnen: Hail, Caesar!
Wird gewinnen: La La Land


Beste Filmmusik

Nominiert: 

Nicholas Britell – Moonlight
Justin Hurwitz – La La Land
Mica Levi – Jackie
Thomas Newman – Passengers
Dustin O'Halloran und Hauschka – Lion


Vier Filme sind hier nur nominiert, weil La La Land nicht alle fünf Plätze einnehmen kann. Eigentlich schade, denn auch wenn der Sieger bereits feststeht, hätte es mit Jóhann Jóhannsson und seinem Score für Arrival eine deutlich bessere Alternative zur Nominierung von Thomas Newman gegeben.


Sollte gewinnen: Justin Hurwitz - La La Land
Wird gewinnen: Justin Hurwitz – La La Land


Bester Song

Nominiert:

Audition – La La Land
Can't stop the Feeling – Trolls
City of Stars – La La Land
The empty Chair – Jim: The James Foley Story
How far I'll go – Vaiana


Keine Zweifel: Dies Kategorie wird an La La Land fallen. Auch wenn mit Another Day of Sun der meiner Meinung nach beste Song des Films hier fehlt. Audition ist das wesentlich gehaltvollere und besser komponierte Musikstück, doch City of Stars (tatsächlich sogar der schwächste der sechs Songs aus dem Musical) hat als wiederkehrendes Hauptlied im Film und dank einiger Preise im Rücken bessere Karten.

Sollte gewinnen: Audition – La La Land
Wird gewinnen: City of Stars - La La Land


Bestes Make-up und Frisuren

Nominiert: 

Ein Mann namens Ove
Suicide Squad
Star Trek: Beyond


Star Trek gewinnt hier aus einem einfachen Grund: Keiner der anderen beiden Filme hat bei den Oscars etwas verloren.

Sollte gewinnen: Star Trek: Beyond
Wird gewinnen: Star Trek: Beyond


Bester nicht-englischsprachiger Film

Nominiert: 

Ein Mann namens Ove – Schweden
The Salesman – Iran
Tanna – Eine verbotene Liebe – Australien
Toni Erdmann – Deutschland
Unter dem Sand – Dänemark


Toni Erdmann ist ohne den kleinsten Zweifel der beste nicht-englischsprachige Film des letzten Jahres. Die Academy weiß dies und wird als politisches Zeichen trotzdem The Salesman auszeichnen. Davon abgesehen hätte Elle statt Ein Mann namens Ove eine Nominierung verdient gehabt.


Sollte gewinnen: Toni Erdman
Wird gewinnen: The Salesman


Bester Schnitt

Nominiert: 

Arrival
Hacksaw Ridge
Hell or High Water
La La Land
Moonlight


Hier stehen fünf optisch eindrucksvolle Werke auf der Nominierungsliste, die allesamt völlig verschieden wirken. Der Preis für Moonlight wäre zu mutig, Hacksaw Ridge ist als Film nicht stark genug. Arrvial und Hell or High Water sehe ich als die unverdienten Verlierer des Abends. Hier läuft alles auf eine Konsensentscheidung hinaus.


Sollte gewinnen: Hell or High Water
Wird gewinnen: La La Land


Bestes Kostümdesign

Nominiert: 

Joanna Johnston – Allied
Colleen Atwood – Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
Consolata Boyle – Florence Foster Jenkins
Madeleine Fontane – Jackie
Mary Zophres – La La Land

Mit La La Land ist nur ein wirklich großartiger Film für das beste Kostümdesign nominiert und wird daher nicht ernsthaft Gefahr laufen, diesen Preis verwehrt zu bekommen. Außenseiterchancen für die legendäre Madeleine Fontane.


Sollte gewinnen: La La Land
Wird gewinnen: La La Land


Beste Kamera

Nominiert: 

Bradford Young – Arrival
Linus Sandgren – La La Land
Greg Fraser – Lion
James Laxton – Moonlight
Rodrigo Pietro – Silence


Eine wundervoll ungewöhnliche Nominiertenauswahl. Mit Sandgren, Young und Laxton sind junge aussichtsreiche Kameramänner verdient geehrt worden. La La Land hat meiner Meinung nach auch hier die Nase durch seine unglaublich elegant gefilmten Choreografien vorn. Persönlich habe ich aber viel für den sträflich übergangenen Silence übrig, der vor allem visuell überwältigend war.


Sollte gewinnen: Rodrigo Pietro – Silence
Wird gewinnen: Linus Sandgren – La La Land


Bester Animationsfilm

Nominiert: 

Kubo, der tapfere Samurai
Mein Leben als Zucchini
Die rote Schildkröte
Vaiana
Zoomania

In einer gerechten Welt wäre Mein Leben als Zucchini absoluter Favorit. Dass neben der schweizerisch-französischen Koproduktion mit Kubo, der tapfere Samurai noch ein zweiter Stop-Motion-Film nominiert wurde, ist aber generell ein Schritt in die richtige Richtung. Die rote Schildkröte scheint nur in dieser Liste zu sein, weil die legendäre Animationsschmiede Studio Ghibli an der Produktion beteiligt war. Das Rennen wird einer der großen Disneyfilme machen, wobei sich die Acadamy hoffentlich für Zoomania entscheidet.


Sollte gewinnen: Mein Leben als Zucchini
Wird gewinnen: Zoomania


Beste Nebendarstellerin

Nominiert: 

Viola Davis – Fences
Naomie Harris – Moonlight
Nicole Kidman – Lion
Octavia Spencer – Hidden Figures
Michelle Williams – Manchester by the sea

Michelle Williams schien den Oscar schon seit Monaten fest in den Händen zu halten. Doch kurz vor der Verleihung drehte sich der Wind zugunsten von Viola Davis. Wäre sie, wie es hätte sein müssen, als beste Hauptdarstellerin nominiert gewesen, würde eine Enttäuschung ausbleiben. Denn beide haben den Preis verdient. Mein Herz schlägt allerdings für Viola Davis.


Sollte gewinnen: Viola Davis – Fences
Wird gewinnen: Viola Davis - Fences


Bester Nebendarsteller

Nominiert: 

Mahershala Ali – Moonlight
Jeff Bridges – Hell or High Water
Lucas Hedges – Manchester by the sea
Dev Patel – Lion
Michael Shannon – Nocturnal Animals


Sichere Sache: Mahershala Ali hat trotz einer knapp bemessenen Performance die emotionale Aussage eines an Tränen und Schicksalsschlägen reichen Films geprägt. Ich hätte mich zusätzlich noch sehr über eine Nominierung von Golden Globe-Gewinner Aaron Taylor-Johnson statt Dev Patel gefreut.


Sollte gewinnen: Mahershala Ali – Moonlight
Wird gewinnen: Mahershala Ali – Moonlight


Beste Hauptdarstellerin

Nominiert: 

Isabelle Huppert – Elle
Ruth Negga – Loving
Natalie Portman – Jackie
Emma Stone – La La Land
Meryl Streep – Florence Foster Jenkins


SGA-Award, Golden Globe, Bafta – auch der Oscar wird verdient an Emma Stone gehen. Trotz einer sehr hochwertig besetzten Nominiertenliste ist es eine Schande, dass Meryl Streep statt der famosen Amy Adams in Arrival gesetzt wurde. Adams hätte meiner Meinung nach selbst Emma Stone gefährlich werden können. Ansonsten hätte ich hier auch sehr gern Tajari P. Henson für ihre Leistung in Hidden Figures nominiert gesehen. Und die bereits angesprochene Viola Davis.


Sollte gewinnen: Emma Stone – La La Land
Wird gewinnen: Emma Stone – La La Land


Bester Hauptdarsteller

Nominiert: 

Casey Affleck – Manchester by the sea
Andrew Garfield – Hacksaw Ridge
Ryan Gosling – La La Land
Viggo Mortensen – Captain Fantastic
Denzel Washington - Fences

Wenn hier die beste Arbeit eines Schauspielers im gesamten vergangen Jahr berücksichtigt werden würde müssten die Favoriten Casey Affleck und Denzel Washington gegen Andrew Garfield und seine Performances aus Hacksaw Ridge und Silence zurückstehen. So räume ich Washington nach dem Triumph bei den Screen Actors Guild-Awards gegenüber Affleck die größeren Chancen ein, was ich absolut gutheiße.


Sollte gewinnen: Denzel Washington – Fences
Wird gewinnen: Denzel Washington – Fences


Beste Regie

Nominiert: 

Dennis Villeneuve – Arrival
Mel Gibson - Hacksaw Ridge
Damien Chazelle – La La Land
Kenneth Lonergan – Manchester by the sea
Barry Jenkins – Moonlight

Zahlen, Fakten und das pure Gefühl sprechen allesamt für La La Land in den beiden wichtigsten Kategorien. Das Musical ist auch mein Lieblingsfilm der großen Oscarbeiträge, daher werde ich mich höchstwahrscheinlich mit Damien Chazelle und seinem Werk freuen.


Sollte gewinnen: Damien Chazelle – La La Land
Wird gewinnen: Damien Chazelle – La La Land


Bester Film

Nominiert: 

Arrival
Fences
Hacksaw Rigde
Hell or High Water
Hidden Figures
La La Land
Lion
Manchester by the sea
Moonlight

Wer wohl gewinnt, steht für mich fest. Daher möchte ich an dieser Stelle meine Freude darüber ausdrücken, dass abgesehen vom typischen Mitleidsfilm (Lion), dem vorrangig traurigen Sozialdrama (Manchester by the sea) und dem obligatorischen Zeitgeschichts-Bio-Pic (Hidden Figures) mit einem Science-Fiction-Drama, einem Kriegsfilm und zwei reinrassigen Independentproduktionen die Nominierten für den besten Film 2017 wirklich vielfältig ausfielen.


Sollte gewinnen: La La Land
Wird gewinnen: La La Land

Mittwoch, 15. Februar 2017

Vermächtnisse




Fences

Es ist ein Lebenswerk, das sich Denzel Washington vorgenommen hat umzusetzen. Der hochdekorierte amerikanische Dramatiker August Wilson schuf Anfang der 80er Jahre The Pittsburgh Cycle, in dem er afro-amerikanisches Leben durch die Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts begleitete. Alle 10 Stücke wurden seitdem am Broadway aufgeführt, Fences, das die 50er Jahre darstellt, gewann bei seiner Wiederaufführung 2010 drei Tonys. August Wilson hatte für diesen Teil seines Zyklus bereits einen Pulitzer-Preis erhalten. Die damalige Besetzung des Stücks schlägt nun den Bogen zur aktuellen Verfilmung. Denn zwei der drei „Broadway-Oscars“ gingen an Denzel Washington und Viola Davis, die nun auch die Hauptrollen in der Kinoversion des Ehedramas innehaben. Doch Washingtons Ziel ist jetzt, den gesamten Pittsburgh Cycle in die Kinos zu bringen. Als Produzent, Regisseur und Darsteller in Personalunion legt der New Yorker mit Fences den äußerst beachtenswerten Grundstein für dieses Vorhaben. Washington verkörpert darin den offensiven aber auf den zweiten Blick unsicheren Müllmann Troy Maxson, der auch in seinen Fünfzigern noch mit Entscheidungen aus seiner Jugend hadert und nun bei der Erziehung seiner beiden erwachsenen Söhne ins Wanken gerät. An seiner Seite steht mit Viola Davis' Rose seine treue Frau, die dem unsteten Charakter ihres Mannes entgegenwirkt und im Gesamten klüger und weniger affektbetont handelt. Gemeinsam mit beiden Kindern, dem Bruder Troys, einem Arbeitskollegen und einer an dieser Stelle nicht benannten Figur beschränkt sich Fences auf nur sieben relevante Sprechrollen. Ebenso das Setting des Films unterstützt die Herkunft des Drehbuches aus einem Theaterstück. Das Haus und der Garten der Troys sind nahezu alles, was wir auf der Kinoleinwand zu sehen bekommen. Von einem Kammerspiel möchte ich hier trotzdem nicht sprechen, zu agil ist die Szenerie, zu alternierend die Dialogpartner. Trotz dieses inszenatorischen Minimalismus versprüht Fences ein beeindruckendes Feeling für die 50er Jahre. Ausstattung und Kostüme sind absolut großartig gestaltet, die Sprache (man sollte den Film wenn irgendwie möglich im Originalton sehen) herrlich zeitgemäß. Trotz der ansehnlichen Optik des Films bleiben Dialoge und Schauspiel die Herzstücke des Streifens. Washington übernahm August Wilsons Wortwechsel (dieser ist nun posthum für einen Drehbuchoscar nominiert) und schafft so dank seiner Bühnenerfahrung gemeinsam mit Viola Davis ein schauspielerisches Ereignis der Extraklasse. Jedes Wort, jede Geste sitzt, einen besser Fusion aus Figur und Künstler wird man im modernen Kino schwerlich finden. Hinter jedem Satz, nach jeder Minute Spielzeit findet sich ein neues Puzzleteil, dass zur intensiveren Charakterisierung von Troy Maxson und seiner Familie beiträgt. In den ausgetragenen Konflikten bleibt viel verborgen und dringt nur langsam an die Oberfläche. Mit weniger begabten Mimen hätten fast zweieinhalb Stunden so zu einer echten Belastungsprobe werden können, Denzel Washington und Viola Davis hingegen könnte man noch tagelang zuschauen. Gemeinsam mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in der Rassenfrage, die langsam am Horizont aufziehen, ist Fences so ein brillant gespielter, hochintelligenter Film geworden. Zu kritisieren habe ich lediglich die etwas dick aufgetragenen Zaunmetapher, die kein Zuschauer ein gutes Dutzend Male vorgekaut zu bekommen braucht. Auch das spirituell aufgeladene Ende wäre nicht unbedingt von Nöten gewesen. Sollte Denzel Washington die Umsetzungen des Pittsburgh Cycles weiter vorantreiben und dann das Niveau von Fences halten, so könnten die nächsten Jahre eine absolute Hochzeit der Theaterverfilmungen werden. 

8/10

Für Fans von: Selma, Zeiten des Aufbruchs

Montag, 13. Februar 2017

He was made for loving her




Why Him?

Die Idee des Films und Teile des Drehbuchs stammen von Jonah Hill. Ben Stiller und Im Dutzend billiger-Regisseur Shawn Levy werden als ausführende Produzenten gelistet. Der verantwortliche Filmemacher ist Jon Hamburg und hat bislang maximal mit ...und dann kam Polly auf sich aufmerksam gemacht. Und das ist 13 Jahre her. Warum prangen also auf dem Poster zu Why Him? die Namen Bryan Cranston und James Franco? Diese Frage lässt sich auch nach 112 Minuten im Kinosessel nicht zweifelsfrei beantworten (wahrscheinlich spielen beide mit, weil sie es eben können), doch klar ist: Beide Hollywoodgrößen werten ein ziemlich mieses Drehbuch deutlich auf und retten Why Him? zumindest ins Mittelmaß. Die Story folgt dem alten Muster des Kampfes zwischen Vater und zukünftigen Schwiegersohn. In diesem Falle sehen wir einen konservativen Geschäftsmann und Familienmenschen auf einen naiven aber völlig zügellosen Internetmillionär treffen. James Francos Laird Mayhew hält die Gagdichte dann auch als einziger hoch. Mit seinem treuen Diener Gustav bekommt er einen markanten Sidekick, mit seinem hypermodernen, kalifornischen Anwesen quasi eine weitere Inkarnation. Und so sorgt das von Kaley Cuocos Stimme per erweiterter Smart-Home-Technologie geführte Haus für die größten Lacher im Film. Ob Bilder von kopulierenden Tieren aller Gattungen, in Urin konservierte Elche oder intelligente Toilettensysteme – die Produktionsdesigner hatten hier sichtlich Spaß. Gemeinsam mit Francos völliger Over-the-top-Performance ist so zumindest einiges an Kurzweil geboten. Thematisch orientiert sich Why Him? stark am Leben unter Silicon Valley-Entrepeneurs. PayPal- und SpaceX-Gründer Elon Musk hat sogar einen Cameo- Auftritt. Was im Kontrast zur Familie von Lairds Schwiegereltern noch einigermaßen amüsant scheint, bekommt einen fahlen Beigeschmack, wenn man sich überlegt, in welchem Maße die Start-Up-Szene wegen Datensammelei und Überwachungsvorwürfen in der Kritik steht. Diese beiden Aspekte werden ja in Lairds Heim geradezu als zukunftsweisend gefeiert. Rein dramaturgisch gesehen geht es mit Why Him? Im Verlauf der Spielzeit leider auch nur noch bergab. Was als verhältnismäßig derbe Komödie mit allerlei Schimpfwörtern und jeder Menge Sexcontent begann (auch wenn der Film vor allem dank des bereinigenden Schnitts unnötig zahm gehalten wird), wandelt sich zusehends in eine furchtbar süßliche Weihnachtsschmonzette (amerikanischer Kinostart war passend dazu der 17.12.). Mit TV- Ikone Megan Mullally (Will and Grace, Parks and Recreation), Comedy-Legende Cedric the Entertainer und Newcomerin Zoey Deutsch (Dirty Grnadpa, Everybody wants some!!) bleibt zumindest die Besetzungsliste absolut namhaft. Aber große Namen und einige witzige Ideen reichen nicht für einen guten Film und lassen Why Him? glanzlos im jährlichen mittelmäßigen Komödiendickicht verschwinden. 

5/10

Für Fans von: Meine Braut, ihr Vater und ich, Sextape

Es wird kein zweites Camelot geben




Jackie

Jackie ein Bio-Pic zu nennen, ist gleichsam zu eng gefasst, als auch übertrieben. Auf der einen Seite beschäftigt sich Pablo Larrains erster englischsprachiger Film zeitlich gesehen nur mit einer Woche aus dem Leben seiner Protagonistin, auf der anderen Seite sprengt Jackie den gewöhnlichen Rahmen eines Bio-Pics gleich in mehrfacher Hinsicht. Der Film ist nicht nur das Porträt einer der bekanntesten Frauen des 20. Jahrhunderts, sondern auch bewegendes Drama und kluger politischer Kommentar. Jacqueline Kennedy gibt darin als Rahmenhandlung einem namenlosen Journalisten in vollständiger Abgeschiedenheit Rede und Antwort nach dem Tod ihres ersten Mannes, dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. In Rückblenden erfahren wir nun, was die auf den ersten Blick trauernde Witwe sich selbst, anderen Hinterbliebenen (allen voran JFKs Bruder Robert Kennedy) und dem politischen Washington in den Tagen nach dem Attentat von Dallas zumutete. Denn Jackie ist keineswegs ein Liebesbrief an eine Stilikone. Vielmehr setzt Larrain auf eine ambivalente und fundierte Charakterisierung der sogenannten berühmtesten Witwe der Welt. Besonders eindringlich wird dies in den Interviewpassagen deutlich. Basierend auf der Befragung Jackies durch den Life-Reporter Theodore H. White lässt der Streifen die ehemalige First Lady hier als Regisseurin ihres eigenen Lebens auftreten. Wie sie den Journalisten bearbeitet, ihm Sätze in den Mund legt, Details der Geschichte vorgibt (ob sie wahr sind oder nicht) und letztendlich die komplette Kontrolle über das Geschriebene verlangt, trägt alles zum beherrschenden Thema des Films und damit auch des Ausschnitts des Lebens der späteren Jackie O. bei. Die Kontrolle über die eigene Geschichte. In scheinbar weiser Voraussicht werden hier sogar „alternative Fakten“ behandelt, der Realitätsbezug scheint Jacqueline Kennedy dabei öfters abhanden zu kommen. Vielmehr bleibt sie mit ihrer berechnenden, sprunghaften und selbstbezogenen Art im Gedächtnis. Doch ist sie sich stets bewusst, dass ihr Einfluss nur eine Folge der Heirat in den Kennedy-Clan ist. So sagt sie in Jackie fast zusammenfassend selbst: „Ich wurde einfach nur eine Kennedy“. Die emotionale Charakterisierung fällt somit faszinierend und vielschichtig aus. Solch ein intimes Porträt steht und fällt im Film natürlich mit der Hauptdarstellerin. Mit Natalie Portman ist den Verantwortlichen dabei ein absoluter Glücksgriff gelungen. Das enorm komplexe Wesen von Jacqueline Kennedy bringt die Oscarpreisträgerin perfekt auf die Leinwand. Jackie bedient sich mit der inszenatorisch beeindruckenden Überschneidung von Originalaufnahmen und gedrehten Szenen einem Stilmittel, das die unmittelbare Gegenüberstellung der echten Jackie und der von Portman verkörperten Filmfigur bedingt. Doch statt Ernüchterung wird das genaue Spiel hinsichtlich Auftreten, Bewegung und Sprache besonders deutlich. Die Nebenrollen fallen da drehbuchbedingt schon etwas ab, sind aber mit Peter Saarsgard, Greta Gerwig, Billy Crudup und dem kürzlich verstorbenen John Hurt passend besetzt. All dies Lob kommt unter dem Strich bei Pablo Larrain zusammen. Der Chilene bringt uns hier ein andersartiges und fehlerloses Werk auf die Leinwand, das zu den bisherigen Ausführungen auch technisch überzeugen kann. Mit düsterer und eindringlicher Musik sowie langsamer und extrem naher Kameraführung bei langen, schnittfreien Sequenzen scheint Jackie diesbezüglich einem Horrorfilm entlehnt worden zu sein. Das sperrige Thema wird sicher nicht viele Menschen in die Kinosäle locken. Eine gewisse Schwerfälligkeit kann man dem Film trotz kurzer Spielzeit von 100 Minuten zudem auch ankreiden. Nichtsdestotrotz ist Jackie mit seiner eindringlichen und ungewöhnlichen Darstellung der Kennedy, einer hervorragenden Natalie Portman und seiner Genregrenzen auslotenden Inszenierung absolut sehenswert. 

8/10

Für Fans von: Steve Jobs, Life, Foxcatcher

Freitag, 3. Februar 2017

Der letzte Akt




The Salesman

Kann man von einer automatischen Reaktion der weltweiten Filmöffentlichkeit sprechen, wenn Asghar Fahadis neuer Streifen wieder ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit bekommt? Wenn er wie schon seine letzten beiden Werke Nader und Simin – Eine Trennung und Le passé Nominierungen und Trophäen auf Festivals und Preisverleihungen erhält? Der Automatismusgedanke liegt meiner Meinung nach nahe, und bedingt durch Fahadis Einreiseverbot in die USA ist ihm der Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film auch praktisch nicht mehr zu nehmen. Doch ungeachtet all dieser film- und weltpolitischen Begebenheiten ist The Salesman ein eindringliches und bemerkenswertes Drama geworden. Lehrer Emad und seine Frau Rana müssen nach einem Hauseinsturz umziehen. Im chronisch überfüllten Teheran finden beide allerdings nur über private Kontakte eine neue Wohnung, nicht wissend, dass diese zuvor einer Prostituierten als Arbeitsplatz diente. Ein ehemaliger Freier fällt nun über Rana her – eine Verwechslung, die das weltoffene, intellektuelle Ehepaar in eine tiefe Krise stürzen wird. Emad und Rana sind beide in einer Laientheatergruppe aktiv, die sich intensiv mit der Adaption von Tod eines Handlungsreisenden beschäftigt. So ist jedoch nicht nur der Name des Films zu erklären, Arthur Millers Roman und dessen Motive finden im zentralen Konflikt von The Salesman auch ihre Entsprechung. Denn es ist Emad, der nach dem Angriff auf seine Frau zur Rache gedrängt wird (um das indoktrinierte Schamgefühl der misshandelten Rana wieder loszuwerden), jedoch mit deren Auswirkungen und dem möglichen Verlust sozialer Anerkennung hadert und so fürchtet, zum gesellschaftlich unbedeutenden Mensch zu werden und wie Willy Loman seine Vorbildfunktion als Lehrer und Vater zu verlieren. Neben der übergeordneten Haupthandlung und deren weiterer Ebene betätigt sich Asghar Fahadi auch erneut als Chronist des iranischen Alltags. The Salesman bietet spannende Einblicke in ein innerlich ungewisses Land zwischen Aufbruchsstimmung und religiösem Fundamentalismus. Dies alles wird dem internationalen Publikum durch ein tolles Hauptdarstellergespann nahegebracht. Shabab Hosseini konnte für seine Performance verdientermaßen die silberne Palme in Cannes ergattern, Taraneh Alidoosti steht ihrem Filmpartner in nichts nach und beweist, warum sie in ihrem Heimatland als beste Schauspielerin ihrer Generation gilt. Für mich als Westeuropäer war es besonders spannend zu sehen, wie sich in ihrem Spiel die Erwartungen an das Verhalten einer muslimischen Frau widerspiegelten. Inszenatorisch bleibt Fahadi den Gepflogenheiten eines Beziehungsdramas treu, nutzt eine enge Kamera, die die Emotionen der Figuren in den Mittelpunkt rückt sowie unaufgeregte und sparsame Musik. The Salesman hat dank trotz ruhiger Erzählweise und unspektakulärer Visualität dennoch das Zeug zum großen Erfolg unter Arthousefans. Dafür sorgen ein unvorhersehbares Drehbuch, dass seine zunehmende Spannung aus der Entwicklung der Charaktere zieht, sowie die Behandlung philosophischer Konflikte hinsichtlich Vergebung, Rache und Ehre. 

8/10

Für Fans von: Nader und Simin – Eine Trennung, Taxi Teheran, Circles